Nach fünf Stunden Sitzung beantragte ein Treuchtlinger Kreisrat das Ende der Debatte – und die Abstimmung über das Thema, das in der Region seit Monaten die Gemüter erhitzt. Bis zum Ende blieb offen, ob Landrat Manuel Westphal (CSU) genügend Stimmen für seinen Plan bekommen würde, ein seit Jahren geplantes Naturschutz-Großprojekt zu kippen. Ein Projekt, das seine beiden Vorgänger auf den Weg gebracht hatten. Ein Projekt, über dessen Ziele große Einigkeit besteht: Zum Schutz der Wiesenbrüter sollte dringend etwas unternommen werden. Der Nachbarlandkreis Ansbach wird die Pläne wohl nun erstmal alleine auf seinem Gebiet umsetzen.
Konflikte zwischen Landnutzern und Naturschutz
Es geht um Lebensraum für Vögel wie Kiebitz, Uferschnepfe und Brachvogel. Was den Vögeln dient, wäre auch gut für andere Pflanzen und Tiere. Dass es Konflikte geben wird, war allen klar. Die Altmühl bräuchte mehr Schatten, die Wiesenbrüter freie Fläche ohne Bäume. Die Vögel brauchen Tümpel in den Wiesen – Landwirte aber bewirtschaften lieber trockene Flächen.
Mit Jägern und Fischern konnten zuletzt Kompromisse erzielt werden. Doch die Landwirte im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen ließen sich bis zum Schluss nicht überzeugen. "Die Konflikte sind nicht in dem Maß erwartet worden", sagt der Büroleiter des Landrats, Jürgen Simon in der Sitzung des Kreistags in Gunzenhausen. Dem Projekt habe eine externe Moderation gefehlt, so Simon. So habe der Projektleiter moderieren müssen, dabei hatte er eine andere Rolle. Denn seine Aufgabe sei ja gewesen, den Schutz der Wiesenbrüter voranzutreiben.
Fehler in der Kommunikation?
Beide Seiten warfen sich Fehler in der Kommunikation vor. Doch wer hat wen in dem jahrelangen Planungsprozess zu spät informiert? Der Landrat kritisiert, dass die genauen Pläne über mögliche Maßnahmen erst im November 2023 veröffentlicht worden seien. Das habe betroffene Landwirte vor den Kopf gestoßen. Das Planungsbüro hingegen erklärt, der Landrat habe den Plan im Frühjahr 2023 nicht freigegeben, somit habe sich die Abstimmung mit den Fördergebern bis zum Herbst hingezogen.
Auch Doris Baumgartner von der Unteren Naturschutzbehörde weist die Vorwürfe mangelnder Einbindung der Interessensgruppen zurück. Es habe seit dem Jahr 2021 zahlreiche Arbeitsgruppen und Lenkungsgruppen mit allen Verbänden und Ämtern gegeben. Zwei Bauernverbände, das Amt für Landwirtschaft und auch das Wasserwirtschaftsamt seien von Anfang an mit einbezogen gewesen.
Hat der Landrat eigene Interessen?
In der Debatte klingen kritische Töne über die Rolle des Landrats an. Manuel Westphal ist seit März 2020 Chef im Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen. Das Projekt wurde noch von seinen Vorgängern im Jahr 2016 auf den Weg gebracht. Die Familie des Landrats betreibt einen großen landwirtschaftlichen Betrieb im Projektgebiet.
Kreisrat Josef Miehling (Freie Wähler) erklärte im Kreistag, man habe damals so viel Vertrauen gehabt, dass eine neutrale Moderation nicht nötig zu sein schien. "Weil es alle gemeinsam wollten", so Mieling. Er sagte, der Landrat habe doch beste Kontakte zur Landwirtschaft. "Ich hätte mir von Ihrer Seite mehr Vermittlungsversuche gewünscht", erklärte Mieling an die Adresse des Landrats. Und Matthias Hertlein (SPD) erklärte, er verstehe nicht, "warum man aus einem Naturschutzprojekt eine Staatsaffäre macht". Darüber hinaus sei den meisten klar, woran es liege, dass das Projekt seit dem Jahr 2020 Probleme mache.
CSU stimmt nicht geschlossen dagegen
Treuchtlingens Bürgermeisterin Kristina Becker (CSU) ging bei ihrer Rede auf den 400 Seiten starken Maßnahmenplan des Projekts ein. Hier sind detailliert Flächen eingezeichnet, auf denen Weiden zurückgeschnitten oder Wehre eingebaut werden könnten. Dabei sei stets betont worden, dass der Plan diskutierbar sei und die Teilnahme freiwillig. "Wieviel Flexibilität hat so ein Plan?", fragte Becker. "Was wirklich freiwillig ist, ist für Nutzer der Fläche nicht so eindeutig." Wenn die Umsetzung gelingen solle, brauche es ein Vertrauensverhältnis. Sie sehe ein, dass für die Wiesenbrüter etwas getan werden müsse, doch das Projekt sei nicht entscheidungsreif, deshalb stimme sie dagegen. "Wir gehen jetzt auf Reset."
Abstimmungsergebnis mehr als knapp
Bis zuletzt war unklar, wie die Abstimmung ausgehen würde, denn die CSU hat ohne die Freien Wähler keine Mehrheit im Kreistag. Doch auch innerhalb der CSU teilen offenbar nicht alle den Kurs des Landrats. Eine CSU-Kreisrätin fehlte. Die Freien Wähler erklärten, dass jeder in dieser Sache für sich entscheiden könne. Am Ende ergab die Abstimmung 30:30. Für eine Beteiligung des Landkreises am Projekt hätte es aber 31 Stimmen gebraucht. Gunzenhausens Bürgermeister Karl-Heinz Fitz (CSU) hatte dafür gestimmt und äußerte sich enttäuscht. "Ich sehe es als vertane Chance", sagte er anschließend dem Bayerischen Rundfunk.
Nachbarlandkreis Ansbach ist geschlossen dafür
Das Projektgebiet befindet sich zu 60 Prozent im Nachbarlandkreis Ansbach. Hier wurden die Pläne im Dezember im Kreistag angenommen – und zwar einstimmig. Der Landkreis Ansbach hat angekündigt, den Schutz der Wiesenbrüter notfalls alleine umzusetzen. "Dafür müssen halt neue Anträge geschrieben werden, und es wird weniger Geld geben", so Projektleiter Dietmar Herold. Er sei sehr enttäuscht, versuche aber, nach vorne zu schauen. Immerhin: Im Landkreis Ansbach befänden sich die wertvolleren Flächen für die Wiesenbrüter, sagt er. Hier bekomme er Anrufe von Landwirten, die sich beteiligen wollen und eigene Vorschläge bringen.
Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) äußerte sich enttäuscht, aber nicht überrascht. "Nachdem Landrat Manuel Westphal seit Monaten Stimmung gegen das Projekt gemacht hat, was die Ablehnung absehbar", erklärte der Vorsitzende Norbert Schäffer. Der LBV werde sich weiter für die Wiesenbrüter im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen stark machen.
Bundesamt für Naturschutz: Suche nach neuem Träger
Das Bundesamt für Naturschutz erklärt, es sei kein Projekt bekannt, in dem die Ablehnung der Finanzierung durch einen Landkreis zu einer Verhinderung so eines Projektes geführt habe. Es werde nun wahrscheinlich nach einem neuen Träger gesucht werden, der ausreichend Mittel zur Verfügung stellen könne. Es geht um rund 500.000 Euro in den kommenden zehn Jahren. Dieses Geld ist Voraussetzung, dass die Fördermittel des Bundes fließen. Zugesagt sind rund zehn Millionen Euro in zehn Jahren, die Fördersumme in dem "Chance.Natur"-Programm ist mit 90 Prozent verhältnismäßig hoch. 60 Prozent davon waren für den Landkreis Ansbach vorgesehen.
Weißenburg: Alternatives Konzept geplant
Für den Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen will der Landrat stattdessen ein alternatives Konzept erarbeiten lassen, das weniger Einschnitte für die Landwirtschaft mit sich bringt. "Man muss sich das Ökosystem Altmühltal insgesamt ansehen", sagte Manuel Westphal im BR-Interview. "Ich glaube nicht, dass es ein schlechter Tag für die Wiesenbrüter war. Wir müssen schauen, wie wir Natur und Umwelt und auch die anderen Interessen in Übereinstimmung bringen."
Schutz von Wiesenbrütern ist dringend
Aus Sicht von Fachleuten sind die Wiesenbrüter die Sorgenkinder im Naturschutz. "Insgesamt haben wir große Bedenken, was das Überleben der Wiesenbrüter in Bayern angeht", sagte der Vorsitzende des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz (LBV), Norbert Schäffer. Zusammen mit dem Landesamt für Umwelt (LfU) hatte der Naturschutzverband 2023 Daten zum Wiesenbrüter in Bayern ausgewertet. Das Ergebnis: Die Uferschnepfe könnte bald aussterben – vergangenes Jahr gab es nur noch elf Brutpaare in Bayern. Auch um Bekassine und Braunkehlchen steht es demnach schlecht. So sei die Zahl der Braunkehlchen zwischen 2015 und 2021 um ein Fünftel gesunken.
Zum Video: Diskussion um Wiesenbrüter-Schutzgebiet
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