Wirtschaftsminister Aiwanger nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts
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Wirtschaftsminister Aiwanger nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts

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Nach Bürger-Nein zu Windpark: Aiwanger sucht "Plan B"

Energieminister Aiwanger will nach dem Nein der Mehringer Bürger zum Windpark-Großprojekt möglichst viele Windräder "retten": "Vielleicht sogar alle 40." Dazu traf er sich mit Kommunalpolitikern. Zugleich verbittet er sich Belehrungen aus der CSU.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Das Mehringer Bürgervotum gegen den Bau von Windrädern war ein Rückschlag für Bayerns größtes Windparkprojekt – Energieminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) verbreitet dennoch Optimismus. "Ich bin guter Dinge, dass wir eine ordentliche Zahl Windräder werden retten können", sagte Aiwanger nach Beratungen des bayerischen Kabinetts in München. Vielleicht könnten sogar alle 40 Windräder gebaut werden, wenn man Standorte verschiebe. "Vielleicht werden es etwas weniger."

Aiwanger will möglichst viel regenerative Energie für Chemiedreieck

Am Nachmittag traf sich der Minister mit Kommunalpolitikern aus dem Chemiedreieck, um über den Ausgang des Bürgerentscheids und einen "Plan B" zu sprechen. "Wir haben dort einen sehr großen Energiehunger, einen sehr großen Energiebedarf", betonte der Minister vor dem Gespräch. "Mit der größte Stromverbraucher Deutschlands sitzt eben in diesem Chemiedreieck - und wir müssen und wollen diese Arbeitsplätze dort erhalten und wollen dazu eben auch möglichst viel regenerative Energie direkt vor Ort erzeugen."

Nach bisherigen Planungen sollten auf Mehringer Gemeindegebiet etwa zehn von insgesamt 40 Windkraftanlagen entstehen. Aiwanger äußerte die Hoffnung, dass möglicherweise die eine oder andere Kommune, die bisher eine Beteiligung am Windparkprojekt abgelehnt hatte, doch noch mitmachen könnte.

Aiwanger will "Kompromisslinie finden"

Der Minister erneuerte seine Kritik, dass die Planung des Windparks unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs "sehr schnell" in die Öffentlichkeit gebracht worden sei. Nach dem Bürgerentscheid gelte es nun, auf die Menschen und die Bürgerinitiativen zuzugehen und zu versuchen, eine Kompromisslinie zu finden: "Wie können wir die Bürger besser einbinden? Wie können wir sie noch mehr teilhaben lassen?"

Die Bedenken der Menschen müssten ernst genommen werden, um doch zu einvernehmlichen Lösungen kommen können. Sinnvoll wäre dem Freie-Wähler-Politiker zufolge, "eine möglichst große Bürgerbeteiligung hinzubekommen". Aiwanger kündigte an: "Da schaue ich jetzt ganz genau hin."

Bürgermeister fordert mehr Unterstützung

Der Bürgermeister von Altötting, Stephan Antwerpen (CSU), betonte vor dem Treffen mit Aiwanger die Bedeutung des Windpark-Projekts: Es gehe um den Wohlstand des Landkreises. Leider hätten die Gegner der Anlagen viel zu lange "ihre Scheinargumente" äußern können, "ohne dass die widerlegt worden sind". Neben den Kommunen müsse auch die Staatsregierung stärker Stellung beziehen, forderte er.

Der Bürgermeister von Marktl, Benedikt Dittmann (CSU/Freie Liste), zeigte sich vorab "froh" über das Gespräch mit Aiwanger. Daran sehe man, dass das Wirtschaftsministerium die Dringlichkeit erkannt habe.

Aiwanger weist CSU-Kritik erneut zurück

Aiwanger wehrte sich erneut gegen Vorwürfe, in Mehring nicht ausreichend und zu spät für das Großprojekt geworben zu haben. Wenn behauptet werde, dass das Bürgervotum anders ausgefallen wäre, wenn Aiwanger nach Mehring statt zu Bauern-Demos gefahren wäre, dann fühle er sich zwar "ansatzweise geschmeichelt". Aber: "So einfach ist es nicht."

Mit Blick auf die Kritik von CSU-Generalsekretär Martin Huber, der Aiwanger an seine Aufgaben als Wirtschaftsminister erinnert hatte, betonte der Freie-Wähler-Chef: "Na ja, ob mir ein CSU-Generalsekretär die Arbeitsbeschreibung diktieren muss... Wir sind eine eigenständige Partei, und ich gebe auch nicht über meinen Generalsekretär anderen Ministern Tipps, wie sie ihre Ämter zu führen haben."

Huber hatte dem BR gesagt: "Leider hat sich Hubert Aiwanger im Vorfeld nicht genügend dafür eingesetzt und einen Termin mit der Bürgerinitiative abgesagt, um stattdessen an fünf Demonstrationen teilzunehmen. Diesen Einsatz gilt es jetzt nachzuholen."

Kaniber widerspricht ihrem Kabinettskollegen Aiwanger

Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) widersprach derweil auf BR-Anfrage Aiwangers Aussage, er sei in die Planung des Windparks nicht eingebunden gewesen: "Minister Aiwanger und sein Haus waren weit mehr als informiert, sie waren beteiligt." Kaniber verwies unter anderem auf Beratungen im Kabinett, Aufsichtsratssitzungen der Staatsforsten und Besprechungen. "Minister Aiwanger hat als zuständiger Wirtschafts- und Energieminister seit jeher den Schlüssel für den Ausbau der Windkraft in der Hand."

Der Freie-Wähler-Politiker hatte beim BR-"Sonntags-Stammtisch" betont, er sei bis November 2023 für die Staatsforsten nicht zuständig gewesen, wo der Windpark entstehen soll. In die Planungen sei er nicht eingebunden gewesen, vielmehr hätten sich darum Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Ministerin Kaniber gekümmert. Zugleich kritisierte er: "Die Planung kam zu sehr von oben."

Diesen Vorwurf wies Kaniber zurück: Bei allen Windenergieprojekten im Staatswald sei ihr wichtig gewesen, dass die Bürger vor Ort eingebunden werden. "So gab es auch in Mehring einen positiven Gemeinderatsbeschluss - sonst hätte es gar kein Auswahlverfahren gegeben", argumentierte die CSU-Politikerin. "Die Entscheidung für den Windpark kam somit keineswegs 'von oben'."

"Sehr konstruktives" Treffen

Nach dem Gespräch mit den Kommunalpolitikern sprach Aiwanger am Abend von einem "sehr konstruktiven" Treffen. Die Teilnehmer hätten sich darauf geeinigt, dass es "sehr zeitnah" in jeder Kommune Gespräche mit dem Gemeinderat, dem Bürgermeister, Bürgerinitiativen und Betroffenen geben werde, um im Detail zu klären, "wie viele Windräder sieht man dort jeweils vor Ort als zumutbar an, was können wir den Bürgern anbieten". Der Minister kündigte an, er wolle so schnell wie möglich Gespräche mit jeder einzelnen Kommune - schon in den nächsten Wochen.

Der Altöttinger Landrat Erwin Schneider (CSU) zeigte sich ebenfalls zufrieden: "Es war ein gutes Gespräch." Kurzfristig sei das Mehringer Bürgervotum ein Rückschlag gewesen, und möglicherweise kämen noch weitere Rückschläge in anderen Kommunen hinzu. Er sei aber überzeugt davon, dass langfristig "die Windräder bei uns im Landkreis entstehen, weil es keine andere sinnvolle Alternative" gebe. "Der Wind, die Windenergie ist die beste, die zur Verfügung steht."

Kritik der Opposition

Der bayerische SPD-Fraktionschef Florian von Brunn bezeichnete das Bürgerbegehren gegen den Windpark für Wacker Chemie als ein Alarmsignal. "Und es ist ein Armutszeugnis, dass im ganzen Jahr 2023 in Bayern nur sieben neue Windräder gebaut und 17 neue genehmigt wurden, während in ganz Deutschland über 740 neue Anlagen in Betrieb gingen." Der Wirtschaftsminister sei zwar Gast auf vielen Demos, habe aber bisher weder ein Konzept für den beschleunigten Ausbau der Windkraft noch von Energiespeichern vorgelegt.

Grünen-Energieexperte Martin Stümpfig betonte: "Wer die Windkraft über Jahre verteufelt, muss nicht überrascht tun, wenn ihm das auf die Füße fällt." Plötzlich wolle in der Staatsregierung niemand an der "Misere" schuld sein. Der Grünen-Politiker forderte Aiwanger auf, "in Bayern endlich die Weichen uneingeschränkt pro Windenergie" zu stellen.

Im Video: Landrat Schneider im BR24-Interview

Der Altöttinger Landrat Erwin Schneider (CSU)
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Der Altöttinger Landrat Erwin Schneider (CSU)

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