Schlafmützigkeit attestiert der rechtspolitische Sprecher der Landtags-SPD Horst Arnold der Bayerischen Staatsregierung. Sein Vorwurf: Bayerns Asylgerichtsverfahren könnten längst schneller gehen. Rheinland-Pfalz habe die Asylgerichtsverfahren seit 2010 längst auf ein Gericht konzentriert und Asylkammern nach Herkunftsländern strukturiert, so der ehemalige Fürther Richter. Arnolds These: Wenn ein Richter immer die gleichen Herkunftsländer bearbeite, dann sorge dies für eine Beschleunigung. Bayern hingegen vergeude Zeit.
Bayern will schneller werden
Dass es schneller gehen kann, bestreitet Bayerns Staatsregierung nicht. Momentan dauert ein Asylgerichtsverfahren vor Bayerischen Verwaltungsgerichten durchschnittlich zehn Monate, im letzten Jahr waren es im Januar noch 20 Monate.
Doch mehrere Verwaltungsgerichte seien schon jetzt bei einer Bearbeitungszeit von drei bis fünf Monaten, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann auf BR24-Anfrage. Sein Ziel sei im Laufe der nächsten zwei bis drei Jahre, alle Verwaltungsgerichte auf dieses Tempo zu bringen, so Herrmann.
Warum schafft es Rheinland-Pfalz in 3,9 Monaten?
In Rheinland–Pfalz dauerten Asylgerichtsverfahren im Jahr 2023 durchschnittlich 3,9 Monate, 4,8 Monate waren es im Jahr 2022 und 7,2 Monate im Jahr 2021. Alle Asylklagen in Rheinland–Pfalz werden am Verwaltungsgericht in Trier verhandelt – und zwar schon seit 2010. Die Organisation in einem Haus garantiert kurze Dienstwege. Die Zuständigkeiten der zehn Asylkammern sind strikt nach Herkunftsländern aufgeteilt.
Dabei lege die Kammer zuerst für jedes Herkunftsland eine grundsätzliche rechtliche Vorgehensweise fest, dann könne in der Regel ein Einzelrichter entscheiden, so der Gerichtspräsident von Trier Heribert Kröger. Schon vor dem großen Flüchtlingszustrom 2015/16 seien die Richter in Trier bestens auf die Rechtssysteme der jeweiligen Herkunftsländer spezialisiert gewesen, so Kröger.
In der Folgezeit habe es in Trier deswegen kein endloses Aufstapeln von Altfällen gegeben. So konnte 2016 beispielsweise ein Richter in Trier bereits in einem Jahr etwa 350 Asylverfahren abarbeiten. Dies sei eine riesige Zahl, betont Gerichtspräsident Kröger. Heute müsse deswegen sein Team, das sehr motiviert, jung und weiblich sei, nur wenige hoch komplizierte Altfälle bearbeiten.
Außerdem kann Kröger an seinem Gericht Richterstellen sehr schnell aufstocken. Aktuell sind es 28 Richterinnen und Richter, 2019 waren es 38 und 2013 waren bereits 12 Asylrichter am Verwaltungsgericht Trier tätig. Nicht zuletzt seien auch die Fortschritte bei der Digitalisierung und die technische Ausstattung wichtig. Gerichtsprotokolle entstünden alle während der mündlichen Verhandlung, kein nachträgliches Abtippen sei so nötig, betont Gerichtspräsident Kröger.
Wie will Bayern schneller werden?
In Bayern wurde die Zahl der Stellen von Verwaltungsrichtern von 2001 bis 2014 abgebaut, dies schreibt das Bayerische Innenministerium auf BR24-Anfrage. In den neunziger Jahren hatte Bayern nach den gestiegenen Flüchtlingszahlen im Zuge des Jugoslawienkrieges die Verwaltungsgerichte um rund 50 Stellen aufgestockt. Erst seit wenigen Monaten werden in Bayern manche Asylklagen nach Herkunftsstaaten zentral bearbeitet – Klagen von Asylbewerbern aus dem Jemen und Nigeria beispielsweise vor dem Verwaltungsgericht Augsburg. Noch immer müssen sich viele Richter täglich neu einarbeiten.
Seit Jahresbeginn gebe es in Bayern Asylschwerpunktkammern und im Januar werde das Verwaltungsgericht München mit insgesamt sechs zusätzlichen Richtern verstärkt, so das Innenministerium. Zur Verkürzung der Verfahren habe Bayern die Zahl der Stellen von Verwaltungsrichtern seit 2016 um ca. 60 Prozent erhöht, dies entspreche 140 neuen Planstellen, so das Bayerische Innenministerium.
SPD und Grüne wollen mehr Verwaltungsrichter
Seit 2020 habe es jedoch keine neuen Stellen für Verwaltungsrichter in Bayern gegeben, sagt der rechtspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Horst Arnold. Nur 2018/19 seien 60 Richter und 60 Vorsitzende Richter eingestellt worden, so Arnold.
Die von Innenminister Herrmann angekündigten sechs neuen Richterstellen reichen auch der integrationspolitischen Sprecherin der Landtags-Grünen Gülseren Demirel nicht aus. Für die Zukunft brauche es mehr Richterinnen und Richter und mehr klare Arbeitsteilung bei den Asylklagen nach Herkunftsländern. Das könne nur funktionieren, wenn Richter, so wie in Rheinland-Pfalz, für bestimmte Länder zuständig seien, so Demirel.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!