Von heute an treffen sich die katholischen Bischöfe in Fulda zu ihrer Herbstvollversammlung. Sie bereiten sich dabei unter anderem auf die Weltsynode im Oktober in Rom vor. Doch das Bischofstreffen fällt auch mitten in eine Zeit, in der Christen nicht nur innerkirchliche Fragen umtreiben. Viele fordern, dass die Kirche sich mehr in die aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten einmischt.
Migrationspolitik: Kirche "verzagt und weichgespült"?
Stephan Theo Reichel vom ökumenischen Verein "Matteo - Kirche und Asyl" etwa sagt, die Forderungen nach schnelleren Abschiebungen sowie Zurückweisungen von Asylsuchenden direkt an der Grenze "bedrücken" ihn. Er nehme Äußerungen von Politikern auch jenseits der AfD oft als "Hetze gegen Geflüchtete" wahr. Sein Appell an die Bischöfe: Sich einzumischen mit einem "deutlichen Wort". Reichel ist überzeugt: Wenn es "um Menschenrechte, Moral und Ethik" gehe, werde Kirche schon gehört. Aktuell nimmt er die Vertreter der Kirchen vielfach als "verzagt und weichgespült" wahr. Trotz einzelner Mahnungen, wie zuletzt von Münchens Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, der in der "tageszeitung" eine "Festung Europa" als "nicht zielführend" bezeichnet hatte.
Reichel ist gerade von einer Recherchereise aus Bulgarien zurückgekommen. Dort habe er Flüchtlinge getroffen, die in "furchtbaren Lagern" hausen müssten. Deshalb lehnt er Abschiebungen in einige andere EU-Länder ab, auch wenn das grundsätzlich europäischem Recht entspreche.
"Kirche muss Einfluss auf Unionsparteien nutzen"
Die Publizistin Liane Bednarz fordert die Kirchen dazu auf, ihre Einflussmöglichkeiten auf die Parteien zu nutzen. Besonders auf die Union. Bei der Migration habe sich der Ton "verschärft". Man könne nur hoffen, so Bednarz, dass die Bischofskonferenz klar mache, "dass gewisse Grenzüberschreitungen" nicht gehen. Gleichzeitig sollten die Bischöfe deutlich machen, dass eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen notwendig sei.
Die Theologin Claudia Pfrang vom Kompetenzzentrum für Demokratie und Menschenwürde findet, dass die Kirchen sich gerade zu sehr "mit sich selbst beschäftigen".
Kirche gegen die AfD: Wie weiter nach den Landtagswahlen?
Mehr Engagement und Nachdruck fordert Pfrang vor allem beim Umgang ihrer Kirche mit der AfD. Bei ihrem Frühjahrstreffen hatten sich die katholischen Bischöfe einstimmig gegen politischen Extremismus und Populismus positioniert: Wer sich in der AfD engagiere, könne nicht für die katholische Kirche tätig sein. Für Christen sie die Partei nicht wählbar.
Nach den Wahl-Ergebnissen der AfD in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, müsse diese Erklärung "unterfüttert" werden, so Pfrang. Die Bischöfe müssten stärker in die Gesellschaft hineinwirken und kirchliche Mitarbeiter "befähigen", sich gegen völkisches Gedankengut einzusetzen. "Viele meiden die Diskussion", so ihre Beobachtung.
Einzelne Bischöfe und die AfD "Seit an Seit"
Mehr Glaubwürdigkeit von den Bischöfen will auch Viola Kohlberger. Die Theologin war Mitglied des Synodalen Wegs und ist geistliche Begleiterin der Pfadfinderschaft St. Georg im Bistum Augsburg. Sie kritisiert, dass einzelne Bischöfe wie Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer beim "Marsch für das Leben", "Seite an Seite mit denjenigen, gegen die sie sich gerade ausgesprochen haben" gehen.
Am Samstag erst nahm Voderholzer beim Marsch für das Leben in Berlin teil. Er sagte dort, diese Demonstration sei "eine Möglichkeit, gesellschaftspolitisch als Christen die Stimme zu erheben". Der Hintergrund der Kritik: Prominente AfD-Parteimitglieder sowie die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte "Junge Alternative" werben für die Veranstaltung.
Die Publizistin Liane Bednarz, sieht das Auftreten Voderholzers und anderer Bischöfe ebenfalls kritisch. Doch immerhin habe die Deutsche Bischofskonferenz in diesem Jahr erstmals kein Grußwort geschickt, es sei auch nicht angefragt worden. Für Bednarz ein Zeichen für eine inzwischen "klare Distanz".
Flüchtlingshelfer: Kirche soll ihre "Macht" nutzen
"Wir haben immer noch mehr als 40 Millionen Mitglieder in Deutschland. Das ist ein Auftrag. Und dann sollten wir diese Macht auch wirklich nutzen, und zwar im positiven Sinne". Mit diesen Worten wirbt Flüchtlingshelfer Reichel bei den großen Kirchen für klare Kante gegen Fremdenfeindlichkeit.
Auf dem offiziellen Programm der Herbstvollversammlung stehen weder Diskussionen zum weiteren Erstarken der AfD noch zur Migration. Für Diskussionen dürften die Themen dennoch sorgen.
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