(Symbolbild) Eine Hand hält ein rundes, rot-weißes Schild, auf dem steht: "HALT POLIZEI". Dahinter sieht man zwei Autos hintereinander auf einer Straße.
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(Symbolbild) Die deutschen Außengrenzen werden kontrolliert. Daran änderte sich weder rechtlich noch praktisch etwas seit der Bundestagswahl.

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#Faktenfuchs: Falschinfos über deutsche Grenzen nach Wahl

#Faktenfuchs: Falschinfos über deutsche Grenzen nach Wahl

Elon Musk teilte einen Post, demzufolge Deutschland nach der Bundestagswahl seine Grenzen geöffnet habe. Alice Weidel wiederum behauptete, Friedrich Merz habe sein Versprechen gebrochen, als Bundeskanzler die Grenzen zu schließen. Beides ist falsch.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Mitarbeit: Tetyana Klug (DW Faktencheck)

Darum geht’s:

  • Im Netz kursieren Behauptungen über eine angebliche Öffnung der deutschen Außengrenzen nach der Bundestagswahl – und über ein vermeintliches Versprechen von Friedrich Merz (CDU), die Grenzen zu schließen.
  • Doch Deutschlands Grenzen waren vor der Bundestagswahl nicht geschlossen und konnten daher nach der Wahl auch nicht "geöffnet" werden.
  • Friedrich Merz (CDU) versprach vor der Wahl nicht, die Grenzen als Bundeskanzler zu schließen. Er sagte, er wolle die deutschen Staatsgrenzen dauerhaft kontrollieren und alle Versuche der illegalen Einreise zurückweisen.

Seit der Bundestagswahl kursieren in den sozialen Medien zahlreiche Spekulationen und Falschinformationen zu Migration und Grenzpolitik. Elon Musk teilte etwa einen Post, der behauptet, Deutschland habe nach der Wahl seine Grenzen geöffnet und nur 48 Stunden später sei ein Flugzeug mit Afghanen gelandet. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel wiederum schrieb am 24. Februar auf der Online-Plattform X: "Wahlbetrug mit Ansage: Schon an Tag 1 wirft Merz alle Wahlversprechen über Bord, will die Grenzen nicht mehr schließen (...)." Doch was ist dran an diesen Aussagen? Der #Faktenfuchs klärt auf.

  • Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier.

Keine Änderung der Grenzkontrollen

Vor der Bundestagswahl gab es bereits Grenzkontrollen an allen deutschen Außengrenzen. Daran hat sich auch nach der Wahl nichts geändert. Bundesinnenministerin Nancy Faeser verlängerte die Kontrollen im Februar dieses Jahres.

Laut Experten sind diese Kontrollen aber nicht vergleichbar – oder gleichzusetzen – mit tatsächlich geschlossenen Grenzen. Europarechtler Daniel Thym von der Universität Konstanz schrieb Deutsche Welle Faktencheck: "Ich persönlich verstehe unter einer 'Grenzschließung' ein nahezu umfassendes Reiseverbot, wie es etwa während der Corona-Pandemie gab." Ein solches Reiseverbot gab es weder vor noch nach der Bundestagswahl.

Auch Grazyna Baranowska, Migrationsrechtlerin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, bestätigte dem #Faktenfuchs: "An den deutschen Außengrenzen hat sich tatsächlich – weder rechtlich noch praktisch – nichts mit der Bundestagswahl geändert."

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Musk teilte einen Post in dem behauptet wurde, die deutschen Grenzen seien 24 Stunden nach den Wahlen geöffnet worden. Das ist falsch.

Auch X-Nutzer haben mit einer "Community Note" unter dem von Musk geteilten Post darauf hingewiesen, dass sich an der deutschen Grenze nach der Wahl nichts geändert hat.

Keine Verbindung zwischen Wahl und Evakuierungsflug

Es ist richtig, dass am 25. Februar 2025 – also zwei Tage nach der Bundestagswahl – ein Charterflug aus Islamabad mit 155 Afghaninnen und Afghanen in Berlin landete. Darunter waren laut Auswärtigem Amt (AA) 27 sogenannte Ortskräfte mit Familienangehörigen, die vor dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan für deutsche Ministerien und Kulturorganisationen in Afghanistan gearbeitet haben. Für diese Ortskräfte gibt es ein besonderes Aufnahmeverfahren der Bundesregierung.

Außerdem sei mehr als die Hälfte der Passagiere mit einem Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan eingereist, teilte das Bundesinnenministerium der Nachrichtenagentur dpa mit. Das Programm startete im Oktober 2022.

Die restlichen Passagiere kamen laut AA über die Menschenrechtsliste und das Überbrückungsprogramm nach Deutschland. Diese beiden Programme seien aufgelegt worden, um die Zeit zu überbrücken, bis das Bundesaufnahmeprogramm eingerichtet wurde. Die Bundesregierung sicherte über alle Aufnahmeprogramme insgesamt fast 46.000 Afghaninnen und Afghanen und deren Familienangehörigen eine Einreise nach Deutschland zu. 35.900 davon sind laut AA bislang nach Deutschland eingereist.

Maximilian Kall, Sprecher des Bundesinnenministeriums, stellte klar, dass die Terminierung des Fluges am 25. Februar in keinem Zusammenhang mit der Bundestagswahl stehe. Bei einer Regierungspressekonferenz am 26. Februar 2025 erklärte Kall: "Das hat etwas mit Landegenehmigungen zu tun, mit Flügen, sozusagen mit den tatsächlichen Gegebenheiten dessen, wann das möglich ist".

Ohnehin kann der Flug kein Resultat veränderter politischer Machtverhältnisse nach der Bundestagswahl sein. Die aktuelle Bundesregierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz ist derzeit noch im Amt – und bleibt das auch, bis sich eine Regierungskoalition gebildet hat und der Bundestag einen neuen Bundeskanzler gewählt hat.

Merz hat keine "Grenzschließung" versprochen

Die Behauptung, Deutschland habe seine Grenzen geöffnet, kursiert seit Jahren – vor allem seit der Fluchtbewegungen nach Deutschland im Jahr 2015. So behauptete Alice Weidel (AfD) im Gespräch mit Elon Musk im Januar fälschlicherweise, Angela Merkel habe die Grenzen für illegale Einwanderung geöffnet. Doch 2015 gab es im Schengenraum, zu dem Deutschland und alle seine Nachbarstaaten gehören, schon seit Jahren keine geschlossenen Grenzen mehr – sie können also auch damals nicht geöffnet worden sein. Deutschland führte 2015 Grenzkontrollen an der österreichischen Grenze ein, auch Österreich und Frankreich begannen in dem Jahr, Grenzen zu kontrollieren.

  • Mehr zu den Falschbehauptungen im Gespräch zwischen Alice Weidel und Elon Musk lesen Sie hier.

Weidels jetzige Behauptung – Merz habe sein Wahlversprechen nicht gehalten, die Grenzen nach der Wahl zu schließen – ist ebenfalls falsch. Merz’ Parteikollegin Julia Klöckner, Bundesschatzmeisterin der CDU, trug zur Verbreitung dieses Gerüchts bei. Sie schrieb auf Instagram, Merz habe gesagt, er wolle als Bundeskanzler die deutschen Grenzen schließen. Damit gab sie aber ein Zitat von Merz falsch wieder.

Bildrechte: instagram.com/juliakloeckner, x.com/Alice_Weidel, BR
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Friedrich Merz sagte vor der Bundestagswahl nicht, er wolle die deutschen Außengrenzen schließen - anders, als hier behauptet.

Merz sagte in einem Pressestatement nach dem Messerangriff von Aschaffenburg, er werde im Falle seiner Wahl zum Bundeskanzler das Bundesinnenministerium anweisen, die deutschen Staatsgrenzen dauerhaft zu kontrollieren und Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen. Zudem kündigte er ein "faktisches Einreiseverbot" für Personen ohne gültige Dokumente an.

Laut Europarechtler Thym entspricht das keiner Grenzschließung, wie er gegenüber Deutsche Welle Faktencheck erklärte: "Es ging 'nur' um die dauerhafte Verlängerung der Grenzkontrollen, die es an den meisten deutschen Grenzen seit nunmehr einem Jahr gibt, ohne dass diese Grenzen 'geschlossen' sind. Außerdem bzw. vor allem will Merz Asylsuchende zurückweisen. Das kommt dann einem faktischen Einreiseverbot für diese Gruppe gleich."

Migrationsrechtlerin Baranowska sagt: "Wenn dauerhafte Kontrollen stattfinden, bedeutet das ja, dass die Grenzen offen sind." Die Grenze sei geschlossen, wenn die Bewegung zwischen zwei Staaten verhindert wird und keine oder nur sehr wenige Ausnahmen gelten, so Baranowska. "Das war zeitweise während der Coronapandemie der Fall."

Im sogenannten Fünf-Punkte-Plan der CDU/CSU-Fraktion, dem Entschließungsantrag, der mit Stimmen der Alternative für Deutschland Ende Januar im Bundestag angenommen wurde, ist von "Sicherung der deutschen Grenzen" sowie "dauerhaften Grenzkontrollen" die Rede. Das Wort "Grenzschließung" kommt im Dokument nicht vor. Auch im von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachten sogenannten "Zustrombegrenzungsgesetz", das zwei Tage später knapp im Bundestag scheiterte, war keine Grenzschließung vorgesehen.

Fazit

Deutschlands Grenzen waren vor der Bundestagswahl nicht geschlossen und konnten daher auch danach nicht geöffnet werden. Ein Flug mit einreiseberechtigten Afghanen von Islamabad nach Berlin hatte einem Sprecher des Bundesinnenministeriums zufolge keinen Zusammenhang mit der Bundestagswahl.

Friedrich Merz versprach, anders als oftmals im Netz behauptet, vor der Bundestagswahl keine Grenzschließungen. Er sagte, er werde das Bundesinnenministerium anweisen, die deutschen Staatsgrenzen dauerhaft zu kontrollieren und alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen. Das ist Experten zufolge etwas anderes als eine Grenzschließung.

Quellen:

Anfragen

Anfrage an Daniel Thym, Universität Konstanz

Anfrage an Grazyna Baranowska, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Anfrage an das Auswärtige Amt

Veröffentlichungen

Auswärtiges Amt: Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan

Auswärtiges Amt: Regierungspressekonferenz vom 26.02.2025

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Aufnahme ehemaliger Ortskräfte und gefährdeter Personen aus Afghanistan

Bundesinnenministerium: Bundesinnenministerin Faeser ordnet Verlängerung der Grenzkontrollen an allen deutschen Landgrenzen für weitere sechs Monate an

Bundesregierung: Was passiert nach der Bundestagswahl?

Deutscher Bundestag: Unionsgesetz zur Zustrombegrenzung mit knapper Mehrheit abgelehnt

Deutsche Welle: Grenzkontrollen in EU-Ländern stellen Schengen infrage

Friedrich Merz: Statement zur Tat von Aschaffenburg

Süddeutsche Zeitung: Bundesregierung nimmt Einreise von Afghanen wieder auf

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