Demos gegen Rechtsextremismus im Vorfeld der Bundestagswahl
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"Retourkutsche" nach Demos? CDU/CSU und die NGO-Finanzfrage

"Retourkutsche" nach Demos? CDU/CSU und die NGO-Finanzfrage

Tausende haben gegen Rechtsextremismus und auch gegen die Union demonstriert. Jetzt stellten CDU/CSU viele Fragen an die Regierung: Missbrauchen staatlich geförderte Organisationen Mittel für politische Zwecke? Die SPD spricht von einem "Foulspiel".

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Sie haben gegen Rechtsextremismus und auch vor Parteizentralen von CDU/CSU demonstriert: zivilgesellschaftliche Organisationen wie "Omas gegen Rechts" oder "Greenpeace". Diese hat die Union in den Fokus genommen – und hat insgesamt 551 Fragen in Form einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Der Titel: "Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen". Im Kern geht es dabei um zwei zentrale Punkte: Wie viele staatliche Fördergelder fließen an diese NGOs und gibt es Hinweise auf eine missbräuchliche Nutzung dieser Gelder?

Demonstrationen gegen Union Auslöser für Anfrage

Der Anlass für die Anfrage: die vergangenen "Demos gegen Rechts" im Zusammenhang mit der Union. Tausende Menschen gingen bundesweit auf die Straße, um ein Zeichen gegen die Migrationspolitik der Union zu setzen, die gemeinsam mit der AfD und der FDP im Bundestag abgestimmt hatte. Die Kundgebungen, darunter auch in München oder vor der CDU-Parteizentrale in Berlin, richteten sich auch gegen CDU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz: Auf Plakaten wurde er als Nazi diffamiert, andere Fake-Plakate zeigten den CDU-Kanzlerkandidaten küssend mit der AfD-Chefin Alice Weidel. Am Tag vor der Bundestagswahl sagte Friedrich Merz mit Blick auf die Demos: "Grüne und linke Spinner auf dieser Welt, die sollen da draußen rumlaufen, aber sie haben mit der Mehrheit dieser Bevölkerung gar nichts zu tun."

Mit Beginn der Demos wurde an der Anfrage gearbeitet, wie es aus Unionskreisen heißt. Vor diesem Hintergrund fragen CDU/CSU, ob die Fördergelder den gemeinnützigen Zwecken der Organisationen dienen oder ob sie für parteipolitische Einflussnahme missbraucht werden. Kurz: Läuft in Deutschland noch alles richtig mit den sogenannten Nichtregierungsorganisationen, kurz NGOs? Nein, meint die Union schon länger. So machte CSU-Generalsekretär Martin Huber bereits im Januar deutlich: "Keine Finanzierung linker Vorfeldorganisationen mit Steuergeld". Unterstützung erfährt die Union mit ihrer aktuellen Anfrage unter anderem von der FDP.

Kritik an Unions-Anfrage

Die Unions-Fragen beziehen sich vor allem auf "Omas gegen Rechts", "Correcitv", "Campact" oder "Greenpeace" – im Mittelpunkt auch das Bundesprogramm "Demokratie leben!", das Organisationen finanziell unterstützt, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Die Union befürchtet, dass staatlich geförderte NGOs indirekt mit Steuergeldern Politik betreiben könnten, was die Integrität der Zivilgesellschaft und ihre Unabhängigkeit gefährden würde.

Von "Omas gegen Rechts" in Berlin heißt es: Man finanziere sich aus Spenden aus den eigenen Reihen. Zuwendungen gebe es weder von politischen Parteien noch von politischen Stiftungen. Die gemeinwohlorientierte Medienorganisation "Correctiv" hat die Unions-Fragen selbst auf ihrer Website beantwortet.

Die Unions-Anfrage schlägt hohe Wellen und stößt auf Empörung sowie scharfe Kritik. SPD-Partei- und Fraktionschef Lars Klingbeil bezeichnete sie als "Foulspiel", das Misstrauen säe und die Zivilgesellschaft schwäche. Grünen-Politiker und "Attac"-Mitgründer Sven Giegold sieht darin den Versuch, progressiven NGOs das Wort zu verbieten, und die Linke spricht von einem "beispiellosen Angriff auf die demokratische Zivilgesellschaft". Auch die betroffenen Organisationen kritisieren die Union scharf, die Rede ist von einem Einschüchterungsversuch.

Alte neue Debatte: Was bedeutet Gemeinnützigkeit?

Die Union hat das Recht, parlamentarische Anfragen zu stellen – das ist eine gängige Praxis im politischen Alltag. Die Bundesregierung wird darauf antworten, wie es auch bei einer ähnlichen Anfrage der AfD im Jahr 2023 zur "Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen" der Fall war. Es werde mit Hochdruck daran gearbeitet, wie es vom Bundesfinanzministerium heißt.

Klar ist: Die Union greift mit der Anfrage eine Debatte auf, die in den vergangenen Jahren immer wieder aufflammte und sich um die Frage dreht: Was bedeutet Gemeinnützigkeit? In der Vergangenheit hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass politisch aktive NGOs wie "Attac" ihre steuerliche Begünstigung verlieren können, wenn sie sich stark einseitig in die politische Meinungsbildung einmischen. Staatsrechtler Prof. Hubertus Gersdorf von der Uni Leipzig meint auf Anfrage: "Es bedarf zur finanziellen Förderung von NGOs, die an der politischen Kommunikation mitwirken, zur Sicherung der parteipolitischen Neutralität und des Demokratieprinzips eines Gesetzes." Gersdorf verweist auf die parteipolitische Neutralität von NGOs, wenn sie staatlich gefördert sind.

Die Ampel-Parteien hatten sich im Koalitionsvertrag zwar auf eine Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts geeinigt – Rechtssicherheit für politische Einmischung etwa. Doch das Vorhaben wurde mit dem Ampel-Aus nicht mehr umgesetzt.

Spezielle Fragen im Fokus: Politische Doppelmoral?

Kritiker der Anfrage werfen CDU/CSU vor, nicht an einer allgemeinen Klärung interessiert zu sein. Sie führen es auf die Verengung der Fragen zurück: Die Fragen beziehen sich ausschließlich auf NGOs, die sich gegen rechtsradikale Positionen stellen. Die Bayern-SPD nennt das Vorgehen der Unionsfraktion in Berlin einen Angriff auf viele wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen. Und der stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Landtag, Johannes Becher, weist darauf hin, dass die Union ihre Neutralitätsdebatte ausschließlich auf Organisationen richte, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Konservative Lobbyvereine würden ausgeklammert. Keine Fragen werden etwa zu wirtschaftsnahen Stiftungen oder der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung gestellt.

Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder (bis 2024 Mitglied der SPD-Grundwertekommission) bezeichnet die Kleine Anfrage der Union daher als "gehässige Gegenwehr" und "Retourkutsche" gegen die Demonstrationen. Die Anfrage werde "die CDU selbst treffen – sie haben selbst Organisationen, die unterstützt werden".

Unionspolitiker demonstrieren 2024 selbst gegen Rechtsextremismus

Im Januar 2024 lobte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus als "starkes Zeichen für die Demokratie" und dankte den engagierten Bürgern unter anderem auf seinem Instagram-Kanal. Auch Friedrich Merz unterstützte die Demonstranten in öffentlichen Interviews. Teils beteiligten sich Unionspolitiker damals aktiv und organisierten Demos gegen Rechtsradikalismus mit.

Im Video: Fragen der Union über NGO-Finanzierung

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