Auf dem Marktplatz von Saalfeld in Thüringen kommen BR-Reporter mit Passanten ins Gespräch. Wieso bekommt die Alternative für Deutschland (AfD) so viel Zuspruch? Die Antworten - teils deutlich: "Die Leute haben den Kanal voll, das ist einfach so!" Andere sehen Thüringen nur als einen Anfang: "Es muss sich ja was ändern! Überhaupt in ganz Deutschland!"
Thüringens CDU-Generalsekretär: Keine Zusammenarbeit mit AfD
Dass sich gerade zu viel ändern könnte, macht einigen seiner Parteifreunde bei CDU und CSU Sorgen: Christian Herrgott ist Generalsekretär der CDU-Thüringen. Sein Landesverband hat Anfang der Woche beschlossen, erste Gespräche mit der SPD, aber auch mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu führen - für viele in der Union ein rotes Tuch. Herrgott hält dagegen. Es gehe darum, Wort zu halten und nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten: "Die Menschen wussten klar, wenn sie CDU wählen, dass wir mit der AfD nach der Wahl nichts tun werden", erklärt er im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers.
Im Video: Kontrovers-Interview mit Christian Herrgott, CDU-Generalsekretär Thüringen
Manche Thüringer Bürger finden das schlecht. Heidrun Macheleidt zum Beispiel auf dem Marktplatz von Saalfeld: "Wenn ein Drittel der Bevölkerung blau gewählt hat, warum wollen wir die ausschließen? Theoretisch ist die CDU und die AfD am stärksten, warum tun sich die Starken nicht zusammen?" Und dann beschreibt sie, was sie sich von einem solchen Bündnis erwarten würde. Eine härtere Gangart gegenüber manchen Migranten, die aus ihrer Sicht die Gesellschaft ausnützten: "Wenn ich abends von der Arbeit komme, da sitzen die hier rum oder fahren mit ihren Knatterkarren rum. Und das ist der Punkt. Ich soll bis 67 arbeiten? Für wen? Für was?"
Aber es gibt auch in Saalfeld Menschen, die politisch anders eingestellt sind. Das Bündnis "Stadt, Land, Bunt" zum Beispiel. Frank Bock gehört dazu. Er berichtet von einer Fahrradtour durch Thüringen, die ihm eines klargemacht habe. "Wir bilden nicht das Spektrum der Mehrheit der Leute ab. Wir sind schon eher links orientiert."
AfD-Anhänger gegen Migranten, Ukraine-Krieg und staatliche Gängelung
Auch andere Bürger sind politisch aktiv - jeden Montagabend wird demonstriert. Diese Woche ist auch Heidrun Macheleidt dabei. "Man muss ja seinen Unmut zu der momentanen Politik zeigen", sagt sie. Die Gründe für diesen Unmut sind bei den Demonstrierenden unterschiedlich. Eine Frau aus dem Protestzug erklärt, sie demonstriere mit "weil ich keine DDR 2.0 wieder haben will, sondern frei leben will, ohne, dass mir irgendjemand vorschreibt, wie ich zu heizen habe, wie ich mich zu waschen habe, was ich zu essen habe und so weiter - weil das geht die in der Politik gar nichts an". Einer ihrer Mitstreiterinnen geht es vor allem um Frieden: "Wenn ich Waffen hinschaffe in Kriegsgebiete, dann kann kein Frieden sein. Wie dumm ist die Menschheit eigentlich?"
Angesichts solcher Äußerungen unterscheidet Thüringens CDU-Generalsekretär zwischen der Partei AfD und vielen ihrer Wähler. "Auf keinen Fall sind alle Wählerinnen und Wähler oder überhaupt ein Großteil der Wählerinnen und Wähler, die AFD wählen, Rechtsextremisten", betont Christian Herrgott.
Strategie der "Kümmererpartei"
Warum wählen dann diese Menschen eine Partei, die der Thüringer Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Partei einstuft? August Modersohn verwundert das nicht. Er berichtet seit Jahren aus Ostdeutschland für "DIE ZEIT". Dabei stellt er fest, dass die AfD vor allem auf dem Land sehr präsent ist: "Sie hat sich zu einer Art Kümmerpartei entwickelt", beschreibt er im Interview mit Kontrovers. "Es geht einher mit der Strategie der sogenannten Selbstverharmlosung: Nach vorne raus ist dann oft ein sehr freundliches Gesicht. Und dann machen die Menschen die Erfahrung, so schlimm sind die ja gar nicht."
Die Strategie der Kümmererpartei verfängt offensichtlich. Die Wähler trauen der AfD einer repräsentativen ARD-Umfrage auf immer mehr Feldern Problemlösungen zu - nicht nur in der Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Im Video: Kontrovers Interview mit August Modersohn, Journalist bei DIE ZEIT
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