Etwa jeder dritte Deutsche hatte schon einmal Streit mit Freunden oder mit der Familie wegen "Falsch- und Desinformationen". Bei den Jüngeren - zwischen 18 und 39 Jahren - sind es sogar circa 40 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) in einer Umfrage, die heute veröffentlicht wurde. An der Umfrage nahmen 2012 Männer und Frauen im Alter von 18 bis 74 Jahren teil, die laut dem NIM (externer Link) repräsentativ für die deutschsprachige Bevölkerung in dieser Altersklasse sind.
Meta-Diskurs über Desinformation spielen große Rolle
Die Befragung bestätigt, was andere Studien bereits aufgezeigt hatten: Die Mehrheit der Deutschen sieht in Falsch- und Desinformation ein großes gesellschaftliches Problem. Desinformation als gesellschaftliches Problem - das deckt sich auch mit der Einschätzung des Weltwirtschaftsforums, das Desinformation im "Global Risks Report 2024" ganz an die Spitze setzte. Interessant ist, dass laut der NIM-Befragung deutlich mehr Ältere Falsch- und Desinformation für ein großes gesellschaftliches Problem halten als Jüngere. Nur jeder Zweite aus der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen sah darin ein großes Problem - verglichen mit 80 Prozent der über 60-Jährigen.
Woran liegt es, dass besonders Ältere Sorge vor Desinformation haben? Der Kommunikationswissenschaftler Christian Pieter Hoffmann schreibt dem #Faktenfuchs auf Anfrage per Mail, das könne an einer allgemeinen Skepsis gegenüber Social Media bei älteren Menschen liegen. Es liege aber sicher auch daran, dass der massenmediale Diskurs die Angst vor Desinformation befördere.
Jüngere haben weniger Angst vor "Fake News"
Auffällig sei, dass jüngere Menschen weniger Angst vor Desinformation oder "Fake News" haben - obwohl sie ihr auf Social Media deutlich öfter begegnen müssten. Sie differenzierten mehr zwischen guten und schlechten Quellen online und reagierten auch differenzierter darauf - zum Beispiel mit Humor, indem sie Falschinformation melden oder selbst recherchieren. Auch das zeigen die Ergebnisse der NIM-Befragung.
Was bei der Interpretation der Ergebnisse der NIM-Befragung außerdem zu berücksichtigen ist: Die Antworten der Befragten speisen sich vermutlich nicht überwiegend aus einer Konfrontation mit realer Desinformation, sondern vor allem aus Gesprächen und der Medienberichterstattung über Desinformation. Philipp Müller ist Kommunikationswissenschaftler an der Uni Mannheim und beschäftigt sich mit der Forschung über Desinformation. Er schreibt dem #Faktenfuchs per Mail: "Der Diskurs bauscht das Problem auf und macht es größer, als es wirklich ist." Das sei in der wissenschaftlichen Literatur inzwischen hinlänglich dokumentiert.
Nicht immer ist klar, was Befragte unter Falschinformation verstehen
Fraglich ist auch, ob Autoren und Befragte immer dasselbe meinen, wenn sie von Falsch- oder Desinformation sprechen. Hoffmann von der Uni Leipzig schreibt: "Man muss davon ausgehen, dass die Befragten ein sehr schwammiges Verständnis von Fake News (oder Mis-/Desinformation) haben." Frühere Studien zeigten, dass Laien oft Inhalte, die sie nicht mögen, als "Fake News" beziehungsweise Falsch- oder Desinformation betrachten. "Daher sagen AfD-Anhänger in solchen Umfragen auch, dass sie sehr viel Fake News sehen - und meinen damit beispielsweise Artikel des Spiegel oder der Tagesschau."
Dieses schwammige Verständnis von Desinformation zeigt sich in der NIM-Befragung beispielsweise dort, wo Befragte Falschinformationen verorten. Zwar sind etwa zwei von drei Befragten der Ansicht, dass vor allem sogenannte Alternativmedien und Influencer auf Social Media Falsch- und Desinformation verbreiten. Aber etwa jeder vierte Befragte glaubt auch, dass die arrivierten Medien - darunter der öffentlich-rechtliche Rundfunk, Privatfernsehen und überregionale Tages- und Wochenzeitungen - Falsch- und Desinformation am stärksten verbreiten. Diese Ansicht ist unter Personen mit Abitur und hohem Einkommen fast genauso verbreitet wie bei Geringverdienern und Personen mit niedrigem Schulabschluss.
Diese Überzeugungen haben laut der Umfrage einen Einfluss darauf, wie die Menschen in Deutschland mit Medien umgehen. 42 Prozent der Befragten sagten, dass sie Nachrichten und deren Quellen genauer überprüften. Und fast genauso viele (40 Prozent) gaben an, dass sie Medien und Social-Media-Plattformen generell weniger vertrauten. 72 Prozent der Befragten wünschten sich ein stärkeres Vorgehen gegen Falsch- und Desinformation und sahen darin eine Gemeinschaftsaufgabe.
Knapp drei von vier der Teilnehmenden (73 Prozent) haben nach eigenen Angaben schon mal genauer überprüft, ob eine Nachricht auch wirklich wahr ist. Wie Sie das tun können, erfahren Sie übrigens in diesem #Faktenfuchs.
Hintergrund zur Befragung
Das NIM hat die Befragung aus Eigenmitteln finanziert. Es untersucht als Not-for-Profit-Institut nach eigenen Angaben an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis, wie sich Konsumentscheidungen zum Beispiel durch neue Technologien oder gesellschaftliche Trends verändern und welche Auswirkungen das für Markt und Gesellschaft hat. Es finanziert sich in erster Linie durch Mitgliedsbeiträge und Erträgen aus Beteiligungen an gewerblichen Unternehmen, vor allem an der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), dessen Gründer das NIM ist.
BR24 #Faktenfuchs hat bei Fragebogen beraten
Der BR24 #Faktenfuchs, die Faktencheck-Einheit des Bayerischen Rundfunks, war beratend an der Konzeption des Fragebogens beteiligt. Das bedeutet, dass der #Faktenfuchs etwa weit verbreitete Falschinformationen nannte, die Teil einzelner Fragestellungen waren. Oder dass er in Bezug auf die Verwendung von Begrifflichkeiten wie "Falschinformation", "Desinformation" und "Fake News" beratend zur Seite stand.
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