Vielen US-Amerikanern sind sie unbekannt - und doch könnten sie bei der anstehenden Wahl eine wichtige Rolle spielen: Drittkandidaten. Politiker, die nicht für die Republikaner oder Demokraten antreten, sondern für die in den USA traditionell eher unbedeutenden Kleinparteien.
Seitdem sich vor über 150 Jahren die Republikaner und Demokraten in den USA etabliert haben, saßen nur Vertreter dieser beiden Parteien im Weißen Haus. Das Mehrheits-Wahlsystem in den USA macht es Kleinparteien und unabhängigen Kandidaten fast unmöglich, einzelne Bundesstaaten zu gewinnen. Trotzdem können sie wahlentscheidend sein.
Al Gore nicht grün genug?
Die Demokraten erinnern sich nur ungern an die Rolle der Drittkandidaten in den Wahlen 2000 und 2016 zurück. Im Jahr 2000 war das Duell zwischen Al Gore und George W. Bush denkbar knapp. Am Ende war Florida entscheidend: Laut offiziellem Ergebnis holte Bush in dem Bundesstaat 537 Stimmen mehr als Gore.
Der Demokrat galt und gilt zwar als jemand, der sich für die Themen Umwelt- und Naturschutz einsetzt. Trotzdem bekam Ralph Nader, der Kandidat der Grünen, allein in Florida fast 100.000 Stimmen. Hätte nur jeder 100. Nader-Wähler in Florida sein Kreuz bei den Demokraten gemacht, wäre Gore Präsident geworden. Landesweit holte Nader 2,74 Prozent, fast drei Millionen US-Amerikaner stimmten für ihn.
2016: Als Clinton gegen Trump verlor
2016 hieß die Kandidatin der Grünen Jill Stein. Das Hauptrennen - Hillary Clinton gegen Donald Trump - war in manchen Staaten extrem eng. Zwar holte Clinton insgesamt fast drei Millionen Stimmen mehr als Trump, doch weil der zahlreiche Staaten knapp für sich entscheiden konnte, hatte er eine komfortable Mehrheit im Electoral College, dem Wahlmänner-Gremium.
Nicht wenige Demokraten rechnen deswegen bis heute vor: Hätten die Grünen-Wähler in Pennsylvania, Wisconsin und Michigan Clinton statt Stein gewählt, hätte die Demokratin die drei Staaten und damit die Wahl gewonnen - Trump wäre nie im Weißen Haus gelandet.
Wie sieht es 2024 aus?
Auch bei dieser Wahl tritt Jill Stein für die Grünen in den USA an. Nach den Erfahrungen vergangener Wahlen ist ihre Kandidatur umstritten. In einem ungewöhnlichen Schritt haben die Europäischen Grünen, zu denen auch Bündnis90/Die Grünen gehören, Jill Stein dazu aufgerufen, ihre Kandidatur zurückzuziehen und Harris zu unterstützen. Die amerikanischen Grünen wiesen die Forderung zurück.
Stein hat im Wahlkampf neben Umwelt-Themen auch klar Position im Gaza-Krieg bezogen und den Staat Israel sowie Bidens Außenpolitik massiv kritisiert. Umfragen zeigen, dass mehr und mehr arabischstämmige US-Amerikaner Stein deswegen wählen wollen.
Und so blicken viele Demokraten mit Sorge auch auf die anstehende Wahl. Joe Biden gewann 2020 Georgia mit 0,2, Arizona und Wisconsin mit jeweils mit 0,6 Prozentpunkten Vorsprung. Die Vergangenheit hat gezeigt: Nur wenige Tausend Stimmen können den Ausschlag geben, wer ins Weiße Haus einzieht.
Wer tritt sonst noch an?
Jill Stein tritt zum insgesamt dritten Mal bei den Präsidentschaftswahlen für die Grünen an. Sie steht in 39 Staaten auf dem Wahlzettel, darunter in sechs der sieben Swing States, den besonders wichtigen Rennen.
Neben den Grünen spielen auch die Libertären eine Rolle. Landesweit holten sie vergangene Wahl fast zwei Millionen Stimmen. Tendenziell galten die Libertären eher für Wähler aus dem republikanischen Milieu als interessant. Allerdings ist ihr Kandidat mit Chase Oliver dieses Mal jemand, der als eher links gilt und zuvor Mitglied bei den Demokraten war.
Auch Cornel West, Philosoph und ehemals Professor an den Unis Yale, Princeton und Harvard, ist ein progressiver Kandidat, der eher Harris Wähler abspenstig machen könnte. Gleiches gilt für Claudia De la Cruz, Kandidatin der Sozialisten. Beide stehen aber in weniger als der Hälfte der Staaten auf dem Wahlzettel und dürften insgesamt nicht allzu viele Stimmen erhalten.
Kennedy: Der Trump-Unterstützer
Und dann ist da noch Robert F. Kennedy. Er trat zuerst bei den demokratischen Vorwahlen gegen Joe Biden an, wurde dann Präsidentschaftskandidat der Reform Party, um schlussendlich doch Donald Trump zu unterstützen. Zwischenzeitlich lag er in Umfragen bei rund 10 Prozent.
Kennedy ist vielen vor allem als Verschwörungstheoretiker bekannt. Seine Versuche, seinen Namen von den Wahlzetteln streichen zu lassen, nachdem er ins Trump-Lager gewechselt ist, waren nicht überall erfolgreich. In rund 30 Staaten könnten die Wähler ihm weiterhin ihre Stimme geben. Auch das könnte das Rennen in manchen Staaten beeinflussen.
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