Nach den Worten des Münchner Kardinals Reinhard Marx verstrickt sich die Weltgemeinschaft derzeit in eine "schier hoffnungslose Spirale zunehmender Gewalteskalationen". Am Montag und Dienstag haben sich daher Theologen, Ethiker, Soziologen und Historiker zu einem internationalen Symposium zu Christlicher Friedensethik an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München getroffen.
Marx: Frieden nicht allein der Sicherheitskonferenz überlassen
Es wurde viel diskutiert, aber auch für den Frieden gebetet. Ein Zeichen, dass man das Thema Frieden nicht allein der am Freitag beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz überlassen wolle, so Marx. "Wir können nicht die Stelle der Politik und des Militärs einnehmen", betonte der Erzbischof von München und Freising, "aber ich glaube, es ist wichtig, dass die gesamte Gesellschaft sich Gedanken macht und miteinander diskutiert, wie wir hier herauskommen. Eine Exitstrategie."
Sind Waffenlieferungen die einzig mögliche Antwort auf den Angriffskrieg Putins auf die Ukraine? Kardinal Marx mahnt die richtige Mischung aus Entschlossenheit und Besonnenheit an. Der christliche Glaube erkenne das Recht auf Selbstverteidigung an sowie die internationale Schutzverantwortung.
"Waffengewalt kann den Krieg gewinnen, aber nicht Frieden"
Aber: das Ideal der christlichen Friedensethik ist die Überwindung der Gewalt durch Recht und Dialog, sagt Markus Vogt, katholischer Sozialethiker an der LMU: "Mit Waffengewalt kann man den Krieg gewinnen, aber nicht den Frieden. Das braucht Dialog, das braucht Eintreten für Menschenrechte, eine Versöhnungsarbeit. Da wollen wir dazu beitragen und diese Diskussion auch aktiv in die Sicherheitskonferenz in München einbringen."
Aus friedensethischer Perspektive ist klar: Die Ukraine darf sich gegen die russische Aggression verteidigen. Nur, wie kommt man aus dieser Gewaltspirale heraus? Zu einem gerechten Frieden? Aus den USA, ganz Europa und auch der Ukraine waren Wissenschaftler nach München gereist, so wie der Kirchenhistoriker Oleh Turiy von der Ukrainischen Katholischen Universität Lwiw. Er hoffe, so Turiy, dass die theologische Perspektive sowie ethische Grundsätze, "auch irgendwelche Auswege aus dieser sehr schwierigen Situation zeigen können".
Im Video: Theologen und Ethiker erörtern Prinzipien eines nachhaltigen Friedens
Gemeinsames Forschungszentrum von LMU und Universität Lwiw
Um die Ursachen und Hintergründe des Konflikts zu beleuchten, wird jetzt auch ein gemeinsames Forschungszentrum von LMU und Universität Lwiw aufgebaut. Gesucht werden Lösungen für die Zeit nach dem Krieg. Frieden sei mehr als ein Waffenstillstand, betonte Kardinal Marx. "Wir können uns auf den Papst beziehen mit seiner Botschaft, der deutlich macht, dass wir einen nachhaltigen Frieden brauchen, der hält und nicht nur einen Waffenstillstand."
Idee eins "neuen internationalen Friedensbunds der Katholiken"
Christliche Friedensethik sei nicht naiv, betonte der Kardinal, vielmehr rechne sie mit der Neigung des Menschen zu Gewalt und baue auf die Kraft zur Versöhnung. Marx erinnerte an die Gründung des Friedensbundes der Deutschen Katholiken nach dem Ersten Weltkrieg und brachte die Idee eines "neuen internationalen Friedensbunds der Katholiken" ins Spiel.
In diesen Tagen könnten dabei auch das ökumenische Gespräch mit den orthodoxen Schwestern und Brüdern und der Dialog mit den verschiedenen Vertretern des Islam eine Schlüsselbedeutung bekommen, so Marx. Vor allem aber dürfe Religion nicht missbraucht werden, um Krieg und Feindschaften zu begründen.
Nachhaltiger Friede, Dialog, Versöhnung – die christliche Friedensethik wirbt drei Tage vor Beginn der Sicherheitskonferenz für einen anderen Blick auf diesen und andere kriegerische Konflikte.
- Zum Artikel: Pax Christi: Eine Friedensbewegung in Kriegszeiten
Mit Informationen von KNA
Im Video: Mehr als 5.000 Polizisten für Sicherheitskonferenz im Einsatz
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.