Soldaten beten während eines Feldgottesdienstes.
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Die Militärseelsorge arbeitet an einem Konzept, wie sie Soldaten im Ernstfall gut unterstützen können.

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Wie sich die Militärseelsorge auf den Ernstfall vorbereitet

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine bereitet sich die Bundeswehr auf einen möglichen Angriff auf ein Nato-Mitglied vor. Doch nicht nur das Militär will vorbereitet sein, auch die Kirchen: Sie entwickeln einen "geistlichen Operationsplan".

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Seit Russland die Ukraine überfallen hat, ist ein Angriff auf ein Nato-Mitgliedsland kein undenkbares Szenario mehr. Diese Möglichkeit beschäftigt auch die Militärseelsorge. Die Geistlichen in der Truppe wollen vorbereitet sein – auf eine Situation, die hoffentlich nie eintreffe, sagt der evangelische Militärbischof Bernhard Felmberg. Man entwickle ein Gesamtkonzept für Deutschland, "eine Art geistlicher Operationsplan".

In diesem sollen Antworten auf die Frage gefunden werden, wie die Militärseelsorge im Ernstfall den Soldaten und der Bevölkerung helfen kann. "Ist sie dort, wo die Verwundeten sind? Ist sie in den Krankenhäusern an der Frontlinie oder auf den Rücktransporten nach Deutschland?", sagt der Militärbischof. Auch wer Todesnachrichten an der Haustür von Angehörigen überbringe, müsse geklärt werden.

Militärgeistliche nehmen verstärkt an Übungen teil

Fragen wie diese bespreche er auch mit der katholischen und der jüdischen Militärseelsorge. Bernhard Felmberg soll bis Ende des Jahres einen Konzeptentwurf der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vorlegen.

Felmbergs Formulierung eines "geistlichen Operationsplans" erinnert an den sogenannten "Operationsplan Deutschland", den die Bundeswehr entwickelt hat. Der geheime Plan regelt Abläufe und Zuständigkeiten in Krisenszenarien – etwa für den Fall, dass ein Nato-Mitgliedsland angegriffen wird und deutsche Truppen an die Nato-Ostflanke müssen. Die Bundeswehr will einsatzfähig sein und damit auch abschrecken, sodass es gar nicht erst so weit kommt.

Damit auch die Militärseelsorge vorbereitet ist, setzt sich Militärbischof Felmberg dafür ein, die Zahl der evangelischen Militärpfarrer zu erhöhen. Schon jetzt nähmen Militärgeistliche verstärkt an Übungen der Bundeswehr teil. "Es würden Gefechtsszenarien durchgespielt, in denen es Verletzte gebe und die Militärgeistlichen dabei seien", sagt Felmberg. So könne man analysieren, wo die Soldaten, die Sanitäter und auch die Militärseelsorger sinnvoll eingesetzt werden.

"Stell dir vor, es ist Krieg"

Einer der aktuell 104 evangelischen Seelsorger in der Bundeswehr ist Gunther Wiendl am Standort Neuburg an der Donau. Eine Aufgabe der Militärpfarrer ist, Soldaten im weltanschaulich neutralen, sogenannten "Lebenskundlichen Unterricht" in ethisch-moralischen Fragen zu schulen. Wiendl plant nun eine Einheit zum Thema: "Stell dir vor, es ist Krieg".

Er wolle mit Soldatinnen und Soldaten darüber sprechen, wie sie sich Krieg vorstellen und welche Bilder sie damit verbinden. Vielleicht frage er dann: "Weißt du noch etwas, von deinem Uropa und seinen Kriegserfahrungen? Warst du schonmal auf einem Soldatenfriedhof?"

Was würde eine Verlegung an die russische Grenze bedeuten?

Auch auf eine mögliche Verlegung nach Litauen, wo die Bundeswehr eine Brigade aufbaut, bereiten sich Soldaten vor, erzählt Claudia Brunnmeier-Müller. Sie ist Militärseelsorgerin in Kümmersbruck in der Oberpfalz. In Seelsorgegesprächen gehe es dann um für Auslandseinsätze typische Themen, zum Beispiel zur Trennung von der Familie. Aber: Litauen grenzt an Russland – und das löse neue Fragen aus, berichtet die Pfarrerin, etwa: Was würde es bedeuten, wenn der Fall der Fälle eintritt? "Kann ich das meiner Familie gegenüber verantworten?"

Soldatinnen und Soldaten merkten, "dass ihr Beruf wirklich ein scharfes Ende hat", sagt Militärbischof Bernhard Felmberg. Der Beruf sei etwas anderes als "Abenteuer, Spaß und Spiel", das sei durch die Zeitenwende sehr deutlich worden. Kein Soldat habe doch vor einigen Jahren geglaubt, dass er vielleicht in die Situation einer Landes- und Bündnisverteidigung kommen könnte. Auslandseinsätze seien auch immer gefährlich gewesen. "Aber sich damit zu konfrontieren, dass vielleicht in einem großen Verteidigungskrieg am Tag 500, 600 Menschen verletzt werden und sterben, das ist eine ganz andere Nummer."

Ein Gebet in der Stunde des Todes

Auch die Pfarrer in der Truppe besprächen untereinander, wie es ihnen mit diesen Fragen gehe und ob sie solchen Situationen überhaupt gewachsen seien, sagt Felmberg. Gleichzeitig äußerten viele den Wunsch, den Soldaten in Notsituationen beiseitezustehen. "Und wenn es darum geht, dafür zu sorgen, dass ein Soldat in der Stunde oder Sekunde des Todes ein Gebet sprechen kann."

Im Ernstfall wären die Militärseelsorger wegen ihrer kleinen Zahl auf Unterstützung angewiesen, sagt Felmberg. Dann wären auch die Notfallseelsorger und die ganz normalen Kirchengemeinden gefordert. Auch das will er in seinem Operationsplan berücksichtigen.

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