Als Lilly Sellak vor fünf Jahren auf dem Schulweg von der Straßenbahn erfasst wurde, hätte die Mittelfränkin nie zu hoffen gewagt, dass sie jemals wieder Sport machen kann. Noch unwahrscheinlicher schien es, dass sie als Athletin für Deutschland bei den Paralympics antritt und gar eine Medaille holt.
Am Mittwoch hoffte Lilly Sellak vom RSV Bayreuth in Bayern noch, dass es klappt. Das Ziel ihrer Mannschaft für die Paralympics in Paris war klar definiert: Die deutschen Rollstuhlbasketballerinnen wollen eine Medaille, am liebsten Gold. Doch die Kanadierinnen sind stärker. Die deutschen Basketballfrauen verlieren das Viertelfinale gegen die Favoritinnen mit 53 zu 71.
Der Medaillentraum ist geplatzt
"Da war die Stimmung natürlich schon im Keller", sagt Lilly Sellak. Der Medaillentraum ist geplatzt. Solche Niederlagen können für Athletinnen und Athleten niederschmetternd sein. Sie haben viele Monate für den Wettkampf trainiert.
In solchen Situationen möchte Elisabeth Keilmann seelischen Beistand leisten. Sie ist Sportseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz und hat für das Paralympics-Team ein offenes Ohr. "Athletinnen und Athleten kommen mit dem, was sie auf dem Herz haben", sagt die Seelsorgerin. Sieg und Niederlagen zu verarbeiten, gehöre nicht nur im Sport zu den zentralen Aufgaben in der Seelsorge, so Keilmann.
Neben Elisabeth Keilmann ist auch der evangelische Paralympics-Seelsorger Christian Bode in Paris. Sie feiern Gottesdienste und machen Gebetsangebote. In erster Linie sind sie aber einfach für die Athleten und Athletinnen da und immer ansprechbar.
Mentale Gesundheit ist auch im Sport wichtig
Das Team der Rollstuhlbasketballerinnen wird von einer Sportpsychologin betreut. Darüber hinaus holt sich Lilly Sellak immer mal wieder Tipps von einer Psychologin ihres Olympia-Stützpunkts. "Die mentale Gesundheit kann inzwischen gleichgestellt werden mit der physischen Gesundheit", meint Sellak. Deswegen finde sie es sehr wichtig, dass auch in Paris bei den Paralympics Seelsorger dabei sind.
Sellak war 16 Jahre alt, als sie auf dem Weg zur Schule von einer Straßenbahn erfasst wurde. Seitdem ist sie von den Knien abwärts gelähmt, mit speziellen Schienen kann sie gehen. Während ihrer Reha in Murnau hat sie den Rollstuhlbasketball entdeckt. In den Teams spielen auf nationaler und internationaler Ebene Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. "Der Sport hat mir in dem Sinn weitergeholfen, weil ich mich wieder normal fühlen konnte", sagt Sellak. "Da waren plötzlich alle gleich", sagt die Sportlerin. Dass sie gut ist in dem Sport, habe ihr Selbstvertrauen gegeben.
Seelsorger haben ein offenes Ohr
Lilly Sellak macht Sportkarriere. Mit dem RSV Bayreuth steigt sie in die erste Liga auf und dieses Jahr feiert sie ihr Paralympics-Debüt in Paris. "Ich war am Anfang sehr geflasht", erinnert sie sich. Sie habe noch nie so viele Menschen mit verschiedensten Behinderungen gesehen, die alle als Sportler in Paris waren. "Das heißt, das Thema Behinderung wurde auch gar nicht so thematisiert, weil es ja für alle Alltag ist", sagt Sellak.
So seien auch die Themen und Anforderungen, mit denen die Athletinnen und Athleten der Paralympischen Spiele auf sie zukommen, die gleichen wie bei den Olympischen Spielen, sagt Seelsorgerin Elisabeth Keilmann. Dabei gehe es aber nicht immer nur um den Sport. "Wir sprechen auch einfach mal über normale Dinge, ohne dass die Sportlerinnen und Sportlern Bedenken haben müssen, dass das Erzählte irgendwie nach außen getragen wird", sagt Keilmann.
Die deutschen Rollstuhlbasketballerinnen mit Lilly Sellak haben die Paralympics als Sechster beendet. Im letzten Spiel um Platz fünf verloren sie mit 39 zu 48 gegen Großbritannien.
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