Ein Gebäude des ZF-Werks in Schweinfurt.
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Ein Gebäude des ZF-Werks in Schweinfurt.

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Bis zu 14.000 Jobs weg: Massiver Stellenabbau bei ZF geplant

Jede vierte Stelle könnte beim Automobil-Zulieferer ZF in Deutschland wegfallen. Allein im bayernweit größten Standort in Schweinfurt drohen Tausende Streichungen. Doch die Gewerkschaften wollen kämpfen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Die ZF Friedrichshafen AG hat angekündigt, ihre Strukturen neu auszurichten und im Zuge dessen bundesweit zwischen 11.000 und 14.000 Stellen zu streichen. Bis 2028 soll die Zahl der Beschäftigten sukzessive sinken. Das teilt der Automobil-Zulieferer auf der eigenen Homepage mit. Der Stellenabbau soll beispielsweise über umfangreiche Altersteilzeitangebote geschehen, auch seien Abfindungsprogramme denkbar.

Die geplanten Stellenstreichungen betreffen rechnerisch ein Fünftel bis ein Viertel aller Stellen in Deutschland. Bundesweit beschäftigt ZF nach eigenen Angaben 54.000 Menschen an rund 50 Standorten.

Tausende Schweinfurter Stellen weg?

In Bayern arbeiten bei ZF laut einem Unternehmenssprecher 18.650 Beschäftigte. Die Mitarbeiterzahlen für die einzelnen Standorte sind laut ZF: 9.800 in Schweinfurt, 4.500 in Passau, 800 in Aschau, 1.300 in Auerbach, 250 in Bayreuth, 1.000 in Nürnberg, 600 in Thyrnau, 180 in Aschaffenburg, 110 in Regensburg und 110 in Ingolstadt.

Wie viele Stellen am mit Abstand größten Standort in Schweinfurt reduziert werden sollen, schreibt das Unternehmen nicht. Man müsse nun zunächst dazu in Verhandlungen mit dem Betriebsrat gehen. Der Erste Bevollmächtigte der IG Metall, Thomas Höhn, schätzt im Gespräch dem Bayerischen Rundfunk einen Abbau von 2.000 bis 3.000 Stellen in Schweinfurt.

Was passiert in Passau und Thyrnau?

Passau ist der Hauptsitz der Division Industrietechnik. Diese Division gehöre neben den weiteren Divisionen Nutzfahrzeugtechnik, Aftermarket und Chassis Solutions, zu den vier Divisionen, die ZF auch in Zukunft stärken wolle, antwortete das Unternehmen in Passau auf BR-Anfrage. "Allerdings bietet die demografische Struktur der Belegschaft in den nächsten Jahren Potenzial durch die Nutzung von Rente und Altersteilzeit sowie auch die natürliche Fluktuation anzupassen." Wie viele Stellen das betrifft, wollte ZF am Freitag nicht mitteilen.

Thyrnau im Landkreis Passau gehört zur Division Elektrifizierte Antriebstechnologien, also genau dem Bereich, aus dem viel ins Ausland verlagert werden soll. Insofern sei der Standort Thyrnau "von der Transformation in Richtung E-Mobilität vom Grundsatz her stärker betroffen", so ZF. Mehr Details gibt es bisher nicht.

Sorgen um E-Mobilitätssparte

Höhn und dem ZF-Betriebsratsvorsitzenden in Schweinfurt, Oliver Moll, bereitet zudem Sorge, was möglicherweise mit den laut Höhn rund 6.000 Beschäftigten im Bereich E-Mobilität in Schweinfurt passiert. Vor allem wegen eines Satzes in der ZF-Pressemitteilung: Es erfordere "auch die Offenheit für Kooperationen und starke Partnerschaften". Moll fürchtet, dass sich mit neuen Partnern auch die Besitzverhältnisse von ZF ändern könnten.

Auch die IG Metall Bayern kritisiert ZF für seine massiven Stellenabbaupläne scharf. Bezirksleiter Horst Ott bemängelt strategische Fehleinschätzungen und haarsträubende Managementfehler und kündigt an: "Wir werden uns dagegen zur Wehr setzen."

Unternehmen will neue Struktur

Das Unternehmen will laut eigener Mitteilung mit der Neuausrichtung seiner Strukturen wieder wettbewerbsfähiger werden und reagiert damit auf die Veränderungen im Mobilitätssektor, insbesondere bei der Elektromobilität.

Ein besonderer Fokus der Neustrukturierung liege angesichts des hohen Wettbewerbs- und Kostendrucks und der schwachen Marktentwicklung für E-Autos auf der Division Elektrifizierte Antriebstechnologien, heißt es in der Mitteilung. Weiterhin will das Unternehmen seine Investitionen in den Bereichen Nutzfahrzeugtechnik, Chassis Solutions, Industrietechnik und Aftermarket weiter verstärken.

Schwere Zeiten für Region Main-Rhön

Bereits vor den jetzt kommunizierten massiven bundesweiten Streichungen hatte ZF im Juni angekündigt, bis Jahresende 380 befristete Verträge in Schweinfurt nicht verlängern zu wollen. Auch darüber hinaus gerät die Automobilbranche in der Region Main-Rhön, zu der auch Schweinfurt gehört, derzeit merklich ins Straucheln.

So hatte Zulieferer Preh in Bad Neustadt im Juni den Abbau von 420 Stellen verkündet, Valeo in Bad Neustadt schon zuvor die Streichung von 300 Stellen. Als Grund wird immer wieder ein schwächelnde E-Mobilitätsbranche genannt. IG-Metall-Mann Höhn sagte bereits im Juni: "Es fühlt sich gerade wie ein Erdrutsch an." Zugleich kündigte er schon damals an, dass die Gewerkschaften bei Politik und Unternehmen für die Beschäftigten kämpfen werden.

Wirtschaftsminister Aiwanger warnt vor strukturellen Problemen der Industrie in Deutschland

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat sich heute angesichts der Ankündigung von ZF besorgt geäußert. Dem BR sagte er, man sehe nun, dass Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit im Industriebereich zunehmend verliere. Mit Blick auf den zuletzt schwer getroffenen Raum Schweinfurt betonte Aiwanger, dass es nun darum gehe, die Arbeitspotentiale der Menschen vor Ort zu analysieren und neuen Unternehmen zu zeigen, welche Arbeitskräfte zur Verfügung stünden.

Um wieder auf die Erfolgsspur zu kommen müssen laut dem Freie Wähler-Chef aber auch die Gewerkschaften stärker in die Pflicht genommen werden. Vor allem die hohen Personalkosten in Deutschland seien ein Problem. "Wenn sich die Gewerkschaft immer deutliche Lohnsteigerungen wünschen und am Ende noch weniger Arbeit, dann haben wir eben nicht mehr die Chance, dass bei uns angesiedelt wird. Dann wird bei uns ab gesiedelt."

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