Der Würzburger Stein oder der Escherndorfer Lump an der Mainschleife: In diesen bekannten Weinlagen in Unterfranken reihen sich die Rebzeilen parallel aneinander. Silvaner, Riesling, Bacchus und andere Sorten wachsen dort. Doch diese und andere Gebiete in Franken waren in Gefahr: Sie wären möglicherweise von der neuen Pflanzenschutz-Verordnung der Europäischen Union betroffen gewesen. Winzerinnen und Winzer hätten dann keine Pflanzenschutz-Mittel mehr im Weinberg einsetzen dürfen, die zum Beispiel in Landschaftsschutzgebieten liegen. Für die Betriebe wäre das einem Berufsverbot gleichgekommen, so Artur Steinmann, Präsident des Fränkischen Weinbauverbands.
Neue Pflanzenschutz-Verordnung der EU kommt nicht
Doch die Weinbau-Betriebe in ganz Franken können aufatmen: Das Vorhaben der EU-Kommission ist im Europa-Parlament gescheitert. Bei einer Abstimmung hatte sich bereits Ende vergangenen Jahres eine Mehrheit der Abgeordneten gegen die geplante Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln ("Sustainable Use Regulation", kurz "SUR") ausgesprochen. Pflanzenschutz ist damit im Weinberg weiter erlaubt. Der Fränkische Weinbauverband zeigt sich nun erleichtert.
Steinmann: "Weinbau auf einem Drittel der Flächen in Gefahr"
Im Juni 2022 hatte die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln in der fränkischen Weinwirtschaft für Unsicherheit gesorgt. "Wäre die SUR wie vorgesehen umgesetzt worden, hätten wir auf rund einem Drittel der fränkischen Anbaufläche keinen Weinbau mehr gehabt. Auch nicht ökologischer Art", erklärt Artur Steinmann. Viele Betriebe hatten deshalb Alarm geschlagen. Der Weinbau-Präsident begrüßt nun auch, dass die Kommission in den Dialog mit der Landwirtschaft einsteigen will.
Weniger Pflanzenschutzmittel, dafür resistente Rebsorten
Denn Strategien, um weniger Pflanzenschutzmittel ausbringen zu müssen, seien notwendig, heißt es weiter. Der Weinbauverband setzt hierbei in Franken auf neue resistente Rebsorten, immer präzisere Prognosemodelle sowie eine zunehmende Digitalisierung bei der Ausbringung von Herbiziden und Insektiziden.
Bereits im Einsatz: Lockstoffe gegen Traubenwickler
Die fränkische Weinwirtschaft habe bereits in den vergangenen Jahren ökologische Alternativen zu Insektiziden flächendeckend eingesetzt, heißt es. Darunter falle etwa das Aufhängen von sogenannten "RAK-Ampullen", die die Vermehrung des Traubenwicklers hemmen. Diese Ampullen enthalten den Sexuallockstoff der weiblichen Tiere und verwirren die Männchen in der Begattungszeit, so dass keine Befruchtung und Eiablage in den Reben stattfinden.
Kaolin im Kampf gegen die Kirschessigfliege
Betriebe setzen außerdem Kaolin-Präparate ein: Jungwinzer Simon Trost aus Nordheim im Landkreis Kitzingen hat seine Pflanzen im vergangenen Jahr mit Kaolin gespritzt. Dabei handelt es sich um feingemahlene Tonerde, die sich weiß auf die dunklen Trauben legt und sie so vor der Kirschessigfliege schützen soll. "Die Fliege denkt dann, es wäre eine weiße Rebsorte", erklärt der 34-Jährige, "und die werden von ihr verschmäht." Andernfalls würden die Schädlinge die Beeren anstechen und es könnte Fäulnis entstehen. Solche Pflanzenschutz-Maßnahmen seien daher manchmal nötig, so der Winzer.
Kaolin ist zwar kein Pestizid, hätte aber unter den EU-Vorschlag zu Pflanzenschutzmitteln fallen können. Selbst für den Bio-Weinbau zugelassene Mittel wären vielleicht in bestimmten Gebieten nicht mehr erlaubt gewesen, wenn die neue Verordnung gekommen wäre.
Winzer: Weinbau ganz ohne Pflanzenschutz nicht möglich
Ganz ohne Pflanzenschutz sei Weinbau nicht möglich, so Simon Trost weiter. Insbesondere für die Bekämpfung von Pilzkrankheiten wie den Befall mit Echtem oder Falschem Mehltau brauche es bestimmte Pestizide. "Jeder macht ohnehin nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich", so Trost, "allein schon aus finanziellen Gründen."
Im Video: Beitrag aus der Frankenschau aktuell vom 25. August 2023
Forderung: Öko-Weinbau mehr fördern
Auf rund der Hälfte der fränkischen Rebflächen werde schon heute auf den Einsatz von Herbiziden verzichtet, betont Weinbau-Präsident Artur Steinmann. "Wir brauchen intensive Forschung und intelligente Anreize, um den nachhaltigen und ökologischen Weinbau zu fördern." Der Präsident des Fränkischen Weinbauverbandes ist sich zudem sicher, dass noch viel mehr Betriebe vollständig in den ökologischen Weinbau einsteigen würden. Bedingung wäre, dass die EU-Kommission das noch vor wenigen Jahren als Pflanzenstärkungsmittel auch im Ökoweinbau zugelassene Kaliumphosphonat wieder zulasse.
Aktuell 1.000 Hektar ökologischer Weinbau
Der fränkische Weinbauverband wurde 1836 als Verein gegründet und vertritt mehr als 3.000 Mitglieder. Von den rund 6.300 Hektar Anbaufläche in Franken sind nach Angaben des Verbandes etwa 1.000 Hektar zertifiziert ökologisch bewirtschaftet. Demnach wurden im Jahr 2023 im Rahmen des Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm weitere 1.800 Hektar ohne Herbizide bewirtschaftet. Der Anteil an pilzwiderstandsfähigen Rebsorten liege aktuell bei rund vier Prozent der Anbaufläche, so der Verband.
Enttäuschung bei Natur- und Vogelschutz
Bei Naturschützern in Bayern war die Enttäuschung über die Entscheidung der EU Ende vergangenen Jahres groß. Laut Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) wäre eine verbindliche Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln ein wichtiger Schritt gewesen, um das Artensterben aufzuhalten. "Wir sind tief enttäuscht über die Entscheidung des EU-Parlaments", so LBV-Vorsitzender Norbert Schäffer.
Auch der Bund Naturschutz äußerte sich ernüchtert über das geplatzte Vorhaben. Mit der Verordnung wäre ein Instrument geschaffen worden, um den Pestizideinsatz überhaupt zu erfassen und ein Monitoring zu etablieren. "Genau das fehlt in Bayern, um mit der Pestizidreduktion überhaupt messbar voranzukommen", so Agrarreferentin Christine Hertrich. Pestizide können die Artenvielfalt gefährden, wenn sie zum Beispiel über Abschwemmungen in Gewässer gelangen.
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