Die Unions-Ankündigung einer "null Kompromiss"-Linie bei Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl hat Spekulationen über eine Minderheitsregierung mit AfD-Duldung angeheizt. Grünen-Bundestagsfraktionsvize Konstantin von Notz warnte auf "X": "Ganz offensichtlich kalkulieren CDU + CSU damit, sich nach der Bundestagswahl von der AfD (mit oder ohne FDP) tolerieren zu lassen. Ein solches Bündnis wäre das Ende des liberalen Rechtsstaats." Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz betonte am Freitag im Bundestag: Es sei jederzeit klar gewesen, dass sich die Union von der AfD keinesfalls in eine Regierung bringen lasse.
Hubert Aiwanger, der seine Freien Wähler als Spitzenkandidat erstmals in den Bundestag führen möchte, hält eine Minderheitsregierung für eine Option: Der Freie-Wähler-Chef kann sich vorstellen, mit der Union eine Koalition zu bilden. "Wäre eine Idee, probieren wir es", sagte er dem BR. Das würde bedeuten, dass er eine Tolerierung durch andere Fraktionen in Kauf nimmt - auch durch die AfD.
Aiwanger: Vielleicht macht Merz Minderheitsregierung
Aiwanger betonte im BR-Gespräch, die "deutliche Mehrheit" der Bürger wolle eine Korrektur der Migrationsfrage. Mit SPD oder Grünen werde ein Kanzler Merz seine Pläne nicht umsetzen können. "Vielleicht macht Merz sogar eine Minderheitsregierung, wenn nichts anderes herauskommt." Die Verantwortung dafür würde laut Aiwanger aber nicht der CDU-Chef tragen, sondern SPD und Grüne, die sich dringend nötigen Reformen verweigerten.
Aiwanger dementiert: Keine Tolerierung durch AfD
Nach einer ersten Berichterstattung über seine Aussagen, meldete sich Aiwanger beim BR und dementierte. Er stellte klar, dass er eine Regierung mit der Union anstrebe, eine Tolerierung durch die AfD aber keinesfalls in Frage komme.
Umfragen zufolge liegen die Freien Wähler bundesweit derzeit weit unter der Fünf-Prozent-Hürde. Die Partei hofft, über drei Direktmandate im Freistaat in den Bundestag einzuziehen.
Merz und Söder: keine Kompromisse
Unions-Kanzlerkandidat Merz hatte vor einer Woche eine grundlegende Wende in der Migrationspolitik angekündigt. "Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht. Ich sage nur: Ich gehe keinen anderen. Kompromisse sind zu diesen Themen nicht mehr möglich." CSU-Chef Markus Söder lobte den CDU-Vorsitzenden dafür, dass "null Kompromiss" künftig zur Leitlinie für die Migrationspolitik werde. Ein Koalitionspartner müsse sich dieser Linie anpassen.
Am Mittwoch stellte die Union einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag zur Abstimmung. Er wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, AfD und FDP angenommen. Es war das erste Mal, dass die AfD im Bundestag zum Mehrheitsbeschaffer wurde. Vertreter von SPD, Grünen und Linkspartei warfen der Union daraufhin vor, die "Brandmauer" zur AfD einzureißen. CDU und CSU wiesen den Vorwurf zurück: Es gebe keine Zusammenarbeit mit der AfD.
Am Freitag wurde im Bundestag zudem hitzig über den Entwurf des "Zustrombegrenzungsgesetzes" der Union diskutiert. SPD, Grüne und Linke warnten eindringlich davor, erstmals mit den Stimmen der AfD ein Gesetz zu beschließen. Die Union verteidigte ihren Entwurf, der schließlich mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde.
Mehring: Minderheitsregierung "außerhalb meiner Vorstellungskraft"
Der bayerische Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) hält von der Idee einer - auch durch die AfD tolerierten - Minderheitsregierung nichts. "Das würde die AfD zum Dreh- und Angelpunkt deutscher Politik erheben und wäre ein historischer Wortbruch der Union, der außerhalb meiner Vorstellungskraft liegt", teilt er auf BR-Anfrage mit.
Zwar hält auch Mehring Veränderungen in der Migrationspolitik für "dringend angezeigt", auf seinen privaten Social-Media-Kanälen warf er der Union aber einen "historischen Fehler" vor und sprach von einer "Zäsur in der deutschen Demokratie". Das heiß diskutierte Merz-Gesetz werde nie in Kraft treten, weil es im Bundesrat gestoppt werde. Merz habe also "für den Preis von schlechter Show um nichts" die Brandmauer ins Wanken gebracht, der AfD Hochkonjunktur beschert und Olaf Scholz (SPD) "zurück ins Kanzler-Rennen gehievt". Profitieren würden von dieser "strategischen Dummheit" ausschließlich AfD und Rot-Grün. "Das war ein historisch mieser PR-Gag zulasten der Integrität der politischen Mitte!"
Die CSU-Zentrale wollte Aiwangers Äußerungen auf Anfrage nicht kommentieren.
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