Kurz nach der Landtagswahl im Herbst 2023 geht es los mit den Sticheleien. CSU-Chef Markus Söder warnt die Freien Wähler vor "Selbstüberschätzung". Mehrere CSU-Politiker fordern eine stärkere Abgrenzung.
Auf ihrer Herbstklausur in Bad Griesbach geht die Landtagsfraktion der Freien Wähler nun auf Konfrontationskurs. "Wir sind ein geduldiger Koalitionspartner", sagt Fraktionschef Florian Streibl. "Aber jetzt muss auch mal Schluss sein."
Aiwanger: CSU solle zur Sacharbeit zurückkehren
"Dass man immer wieder Regierungsmitglieder anschießt, mehr oder weniger öffentlich, das tut man nicht", sagt Streibl. Vor allem Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) müsse viel ertragen – etwa wenn die CSU ihm vorwirft, er kümmere sich zu wenig um sein Amt.
Aiwanger wehrt sich gegen die Spitzen des Koalitionspartners. Wenn die Freien Wähler es der CSU "mit gleicher Münze zurückzahlen würden, dann würde es eskalieren", warnt er.
Bundestagswahl: Konkurrenzkampf beginnt
Die deutlichen, medienwirksamen Worte bei der Herbstklausur könnten auch etwas mit der Bundestagswahl 2025 zu tun haben, räumt Streibl auf BR24-Nachfrage ein und grinst. Beide Parteien kämpfen um die gleiche Wählerschaft – bürgerlich, konservativ, vom Land.
Der Einzug in den Bundestag ist Aiwangers großer Traum. Bisher hat es nicht geklappt. Das soll sich 2025 ändern. Und so rücken die Freien Wähler bei ihrer Herbstklausur ein Thema in den Vordergrund, das gerade bundesweit für Schlagzeilen sorgt: die Migrationsdebatte samt Grenzkontrollen. Beim Besuch der Kontrollstelle an der Grenze bei Neuhaus am Inn loben die Freien Wähler die gute Arbeit der bayerischen Grenzpolizei und fordern die konsequente Zurückweisung von Asylbewerbern.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte vor ein paar Tagen die gleichen Forderungen ausgesprochen und das sogar am selben Ort. Aber Aiwanger weiß, wie er dennoch für Aufmerksamkeit sorgt: Er droht der Bundesregierung mit einer Verfassungsklage.
Aiwanger: Freie Wähler mit besserem Themengespür
Ob die Freien Wähler sich damit von der CSU abgrenzen wollen? "In vielen Fällen sind die Freien Wähler der Ideengeber der Staatsregierung", sagt Aiwanger. Das sei auch bei der Abschaffung der 10-H-Regel für Windkraftanlagen so gewesen und beim Wassercent, um den noch gerungen wird. Die Freien Wähler merkten eben ein bisschen früher als die CSU, "wenn irgendetwas nicht funktioniert".
Das angeblich bessere Themengespür erklärt er damit, dass die Freien Wähler kommunal gut verankert seien und "das Ohr am Bürger haben". Auch bei der Herbstklausur sind Gespräche mit Kommunalpolitikern angesetzt. Es geht um die Krankenhausplanung zum Beispiel oder das Ehrenamt.
Bei der Fraktionsklausur stehen außerdem die Stärkung der Mittelschule und der Tourismus auf der Tagesordnung. Alles Themen aus der bürgerlichen Mitte, wie Streibl sagt. Dazu gehört für ihn auch die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland. Die sei wichtig, um unseren Wohlstand zu sichern.
Streibl als liberaler Gegenpart zu Aiwanger
Während Parteichef Aiwanger immer wieder vorgeworfen wird, "rechtspopulistische" Reden zu halten, gilt Streibl als liberaler Gegenpart. In der Vergangenheit musste er manch umstrittene Aussage Aiwangers wieder einfangen.
Dass der Fraktionschef nun bei der Herbstklausur neben der allgemeinen Migrationsdebatte die Fachkräftezuwanderung ins Rampenlicht rückt, ist also kein Zufall, sondern der Versuch einer Profilschärfung. Schließlich wird nicht nur Aiwanger, sondern auch der CSU derzeit vorgeworfen, in der Migrationsdebatte nach rechts zu rücken.
Aiwanger wünscht sich "Bayern-Koalition" auch im Bund
Mit Blick auf die Bundestagswahl steht fest: Aiwanger wird versuchen, wieder häufiger in die Talkshows zu kommen und sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Über drei gewonnene Direktmandate könne der Einzug in den Bundestag klappen, hofft Aiwanger. Ähnlich positiv hatte er zuletzt vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen geklungen. Am Ende schaffte es aber nur ein einziger FW-Kandidat in den sächsischen Landtag.
Aiwanger möchte für den Bundestag kandidieren und strebt einen Ministerposten in Berlin an. "Ich glaube, das Modell Bayern würde auch Deutschland guttun." Auf der Regierungsbank sieht er schon CDU/CSU, die Freien Wähler und "meinetwegen die FDP noch". Das heißt aber auch: Zu sehr dürfen es sich die Freien Wähler mit dem Koalitionspartner CSU in den kommenden Monaten nicht verscherzen.
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