Es ist kein gewöhnlicher Hopfengarten. Regen tropft von einem Solarpanel auf die Erde und sammelt sich in einer kleinen Pfütze. Nach einigen sehr warmen Tagen das perfekte Wetter für die Hopfenpflanzen. Über ihnen, in etwa sechs Meter Höhe, sind auf einer Metallkonstruktion Solarpanels angebracht. Agri-PV nennt sich das.
Die Idee zu dem bislang einzigartigen Projekt hatten Hopfenbauer Josef Wimmer aus Au in der Hallertau und Bernhard Gruber vom Hallertauer Handelshaus. Landwirt Wimmer geht zwischen den Pflanzen entlang. Er betrachtet kritisch die Blätter. Er ist zufrieden. Die ersten Erfahrungen sind gut: "Das Wasser bleibt länger auf der Fläche. Es ist in diesem Bestand länger feucht als in den anderen Beständen. Der Hopfen ist gut entwickelt, er sieht gut aus." Josef Wimmer und seine Mitstreiter betreten mit dem PV-Dach über dem Hopfen Neuland.
Mehr Schatten und weniger Bewässerung
Eine Erfahrung, die Hopfenbauer Wimmer schon gemacht hat: Das Wasser hält sich länger. Und das könnte künftig von großer Bedeutung sein. Denn auch wenn sich die Niederschlagsmenge nicht deutlich reduzieren wird, ist mit einer anderen Verteilung zu rechnen. Starkregenereignisse werden zunehmen.
Im Hopfengarten läuft dann das Wasser vor allem oberflächlich ab, anstatt für die feuchtigkeitsliebenden Pflanzen zur Verfügung zu stehen. Viele Bauern müssen sich daher über zusätzliche Bewässerung Gedanken machen. "Dadurch, dass das Wasser unter der PV-Anlage langsamer verdunstet, könnte ich eventuell zwischen 30 und 40 Prozent Wasser sparen", hofft Wimmer. Zwischen den Reihen der PV-Anlage ist Platz, so dass Sonne und Wasser durchkommen. Zwischen 25 und 35 Prozent der Fläche sind damit beschattet. Das ist vorteilhaft, denn das bayerische Kulturgewächs Hopfen bevorzugt eigentlich schattige Standorte im Wald und braucht regelmäßig Wasser. Die Zukunft sieht für den Hopfen deshalb nicht besonders rosig aus.
Einzigartiges Hopfen-Projekt
Bislang lief es gut mit dem Hopfen und der PV-Anlage, meint Wimmer: "Der Hopfen ist sattgrün, der hat keinen Trockenstress wie bei anderen Beständen. Da werden jetzt von unten die Blätter gelb. Es ist da viel zu trocken und der Wuchs ist nicht mehr so so ausgeprägt. Das ist jetzt hier nicht der Fall."
Das Projekt ist in dieser Form einzigartig. Erfahrungswerte gibt es noch nicht. Daher begleitet die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) den Versuch wissenschaftlich. Regelmäßig messen die Mitarbeiter Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Hopfengarten. Beobachten, wie die Pflanzen sich entwickeln. Bislang sind keine negativen Auswirkungen erkennbar. "Wie gut der Hopfen unter der Anlage tatsächlich gedeiht, werden wir erst bei der Ernte sehen. Wie hoch wird der Ertrag und wie steht es um die Inhaltsstoffe, die sind ja für die Brauer besonders wichtig", meint Stefan Fuß von der LfL. Auch Stefan Fuß weist auf die Herausforderungen durch den Klimawandel hin.
Diagramm: Hitzetage
Klimawandel: Große Herausforderung für den Hopfen
Schon jetzt spürt man, dass der Hopfen mit den wärmeren Temperaturen zu kämpfen hat. Ertragsrückgänge könne man bereits jetzt feststellen, teilt das Landwirtschaftsministerium auf BR-Anfrage mit. Gründe dafür seien unter anderem Hitze und Trockenstress. Und auch die Qualität leide unter den hohen Temperaturen. Zudem steige der Bewässerungsbedarf im Hopfengarten. Die LfL beschäftige sich deshalb schon seit vielen Jahren mit dem Thema Klimawandel. Beispielsweise forsche man an neuen Sorten, die mit weniger Wasser zurechtkämen.
Daten des Bayerischen Landesamtes für Umwelt zeigen, dass die Region um den Landkreis Pfaffenhofen nach Unterfranken am stärksten von zunehmender Hitze betroffen sein wird. Bis 2050 könnten, wenn man nichts für den Kilmaschutz tut, die Tage mit über 30 Grad um bis zu 16 zunehmen im Vergleich zu 1985. Und auch wenn man Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreift, könnte es bis zu zehn Hitze-Tage mehr geben. Die Niederschlagsmenge wird sich nach den Modellberechnungen nur leicht verändern. Allerdings gehen die Prognosen davon aus, dass es zu mehr Starkregenereignissen kommen wird. Für den Hopfen ist das schlecht. Er braucht regelmäßig Wasser. Aber bei Starkregen läuft Regenwasser vor allem oberirdisch ab.
Hopfen - ein wichtiges Produkt für Bayern
Der Hopfen zählt in der Hallertau und in Bayern als Kulturgut. Und hat auch einen wirtschaftlichen Aspekt. Laut Landwirtschaftsministerium gab es 2022 in Bayern 900 Betriebe, die auf rund 17.500 Hektar Hopfen anbauten. 98 Prozent davon gehen in die Bierproduktion.
Wie das Ministerium mitteilt, stammt knapp ein Drittel des weltweit produzierten Hopfens aus Bayern. Die Hallertau ist das größte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt. Es liegt in Nieder- und Oberbayern. Kleinere Anbaugebiete finden sich beispielsweise in Mittelfranken, in der Region um Spalt.
Laut Hopfenverband gibt es in der Hallertau rund 30 verschiedene Sorten, die hier angebaut werden und in bis 100 Länder weltweit exportiert werden. Für die Hallertau ist es extrem wichtig, auch künftig gute Bedingungen für den Hopfen zu haben. Eine mögliche Lösung in Zeiten des Klimawandels könnte Agri-PV sein.
Gute Ergebnisse bei Himbeeren
Agri-PV an sich ist nicht neu. Dazu gibt es bereits verschiedene Projekte, wie beispielsweise mit Obstbäumen oder Himbeeren. Ein Projekt der BayWa auf einer etwa drei Hektar großen Himbeerplantage zeigt laut dem Unternehmen gute Ergebnisse. Auch hier die Herausforderung, ein optimales Wachstum und maximale Erträge trotz PV-Dach zu erzielen.
Die Ergebnisse seien laut BayWa, dass die Solarmodule für ein günstiges Klima mit niedrigeren Temperaturen sorgten und gleichzeitig die Himbeeren vor Witterungseinflüssen schützen. Eine wichtige Rolle bei solchen Solar-Projekten spielt auch der finanzielle Aspekt. Durch den Verkauf des Solarstroms lässt sich zusätzliches Einkommen erwirtschaften.
Zweites finanzielles Standbein
Hopfenbauer Josef Wimmer in der Hallertau hat viel ausprobiert. Die Konstruktion haben er und sein Geschäftspartner Bernhard Gruber selbst entworfen und angefertigt. Am Geschäftsmodell haben sie jahrelang getüftelt. Jetzt steht es. Insgesamt haben die beiden Geschäftspartner über 1,5 Millionen Euro in ihr Projekt investiert. Aber es ist eine Investition, die lukrativ zu sein scheint. Mit dem aus der PV-Anlage erzeugten Strom lässt sich laut Wimmer rund doppelt so viel verdienen wie mit dem darunter erzeugten Hopfen. So kann er auch schlechte Hopfenernten finanziell gut abfedern. Er ist vom Erfolg des Projektes überzeugt und will erweitern.
Viel Potenzial in der Hallertau
Die aktuelle Anlage von Josef Wimmer und Projektpartner Gruber kann rund 250 Haushalte mit Strom versorgen. Spätestens Mitte Juli geht sie ans Netz. Und die Hallertau bietet viel Potenzial: Insgesamt gibt es in der Hallertau über 17.000 Hektar Hopfengärten. Würden sie alle mit PV überdacht, "könnten die Hopfenbauern gemeinsam mehr Strom erzeugen als das ehemalige Kernkraftwerk Isar 2 “, meint Gruber. Auch das bayerische Wirtschaftsministerium sieht die Entwicklung als eine Chance: "Agri-PV ist eine gute Möglichkeit, den Beitrag der Landwirtschaft zur Energiewende weiter zu steigern", so eine Sprecherin. Sie biete zudem das Potenzial, die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern und dabei gleichzeitig eine Einkommensdiversifikation zu ermöglichen.
Mit Agri-PV den Klimawandel und seine Folgen bekämpfen
Wenn die Ergebnisse über Ertrag und Inhaltsstoffe nach der Ernte im Herbst vorliegen, will Wimmer mit anderen Hopfenbauern das Gespräch aufnehmen. Er ist von der Idee begeistert und will expandieren: Im Herbst sollen weitere zehn Hektar Hopfen mit einer PV-Anlage überdacht werden. Im Hallertauer Hopfenanbau ist der Klimawandel Realität, und negative Auswirkungen sind unübersehbar. Agri-PV-Anlagen helfen nicht nur, den Hopfen zu schützen, sondern sie leisten auch einen wichtigen Beitrag, um eine weitere Erderwärmung zu verhindern.
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