Zwei Männer installieren eine PV-Anlage in Markt Schwaben
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Wenig Wind, dafür viel Sonne und Wasser: Bayern hat im vergangenen Jahr mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt als im Jahr zuvor.

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Warum 2024 ein gutes Jahr für die Energiewende in Bayern war

Warum 2024 ein gutes Jahr für die Energiewende in Bayern war

Wenig Wind, dafür viel Sonne und Wasser: Bayern hat im vergangenen Jahr mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt als im Jahr zuvor. Noch reicht das jedoch nicht aus, um das bayerische Stromdefizit zu schließen.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Woher kam der bayerische Strom im Jahr 2024? Die kurze Antwort: ein Mix aus bayerischer Solarenergie und mehr Wasserkraft, Windkraft aus dem Norden und Importen aus den Nachbarländern. Das berichtet Leonhard Probst vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE), der in den letzten Tagen die Strombilanz für Bayern ausgerechnet hat. Die offiziellen Werte zum Strommix legt das bayerische Wirtschaftsministerium stets erst Jahre später nach. Das Fraunhofer-ISE-Institut zieht nun früher Bilanz. Probsts Auswertung liegt BR24 vor.

Erstes Jahr ohne Atomstrom: Sonnenstrom gleicht aus

Ein Grund für das gute Zeugnis in Sachen Energiewende: Bayern produziert viel Sonnenstrom. Damit liegt Bayern laut Probst im Vergleich aller Bundesländer im vorderen Bereich. Insgesamt wurden in Bayern im vergangenen Jahr 60,7 Terawattstunden Strom erzeugt – ähnlich wie im Jahr zuvor. Die zunehmenden Photovoltaik-Anlagen im Freistaat konnten im vergangenen Jahr sogar den fehlenden Strom von AKW Isar 2 ausgleichen. 2024 war das erste Jahr ganz ohne Atomstrom in Bayern. Mit Isar 2 war im April 2023 der letzte bayerische Atommeiler abgeschaltet worden.

Einen großen Teil machte neben Solarstrom aufgrund der hohen Flusspegel auch Wasserkraft aus. Anteilig an der Gesamterzeugung stammten rund 79 Prozent der Stromerzeugung in Bayern aus erneuerbaren Energien. Dieser hohe Wert hat auch damit zu tun, dass in Deutschland fast alle Kohlekraftwerke außerhalb Bayerns liegen.

Probsts Fazit zum Stand der Energiewende in Bayern lautet: Gut, mit Potenzial zur Verbesserung. "Es ist auf alle Fälle realistisch, dass Bayern sich perspektivisch auch wieder selbst versorgen kann", sagt er, denn noch müsse der Freistaat aus anderen Bundesländern oder Nachbarländern Strom importieren.

Grafik: So viel Strom wurde in Bayern erzeugt

Probleme in den Wintermonaten und bei Windkraft

Der Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch hat in Bayern inzwischen etwa 60 Prozent erreicht und liegt damit sogar knapp über dem gesamtdeutschen Durchschnitt. "Was uns fehlt, ist natürlich, dass gerade in den Wintermonaten der Beitrag von Windenergie noch viel zu gering ist", bilanziert Jürgen Karl, Professor für Energieverfahrenstechnik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).

Denn: Während der sogenannten Dunkelflauten, also den Monaten mit wenig Sonne, muss Bayern Strom importieren. Die Auswertungen des Fraunhofer-Instituts haben ergeben: Im Jahr 2024 hat Bayern fast ein Viertel der Stromlücke mit Strom von außerhalb ausgleichen müssen, vor allem aus dem Norden Deutschlands, wo die Windkraft stark ist.

Für den schleppenden Windkraft-Ausbau in Bayern hat Karl wenig Verständnis: Bayern hätte genug Platz und Windräder seien mittlerweile entsprechend hoch, sodass geringerer Wind im Vergleich zu Deutschlands Norden kein Argument mehr sein könne. "Dieses ganz zentral wichtige Element der Windenergie ist sträflich vernachlässigt worden in den letzten Jahren", sagt Karl.

Blick in die Zukunft

Die Winterstromlücke birgt außerdem Gefahren: Zum einen könnten Strompreise in den entsprechenden Monaten deutlich steigen, warnt Leonhard Probst vom Fraunhofer-ISE-Institut. Vor allem, falls Deutschland in mehrere Strompreiszonen aufgeteilt wird – dann gäbe es regional verschiedene Börsenstrompreise. Die Übertragungsnetzbetreiber legen der EU dazu im Frühjahr einen Bericht vor.

"Doppelstrukturen" in Zeiten von Dunkelflauten?

Zum anderen fehlen für kurzfristige Engpässe in wind- und sonnenarmen Perioden Reservekapazitäten.

💬 BR24-User wie "JdThero" und "UdoV" sprechen in den Kommentaren solche "Doppelstrukturen“ an, die notwendig seien, wenn die Sonne nicht scheint oder kein Wind weht. "Da müssen dann die Kohle- und Gas-Kraftwerke herhalten", so "JdThero". Das sei teuer. Das Team von "Dein Argument" hat ergänzt:

In jedem Jahr gibt es kurze Perioden von etwa vier bis teils zehn Tagen der "Dunkelflauten". Bisher springen in diesen Zeiten noch Kohlekraftwerke und besonders teure Gaskraftwerke ein. Deshalb steigt dann der Börsenstrompreis stark. Weil es sich nur um wenige Tage im Jahr handelt, wird dieser Effekt durch die häufigeren Zeiten mit sehr günstigem erneuerbarem Strom jedoch mehr als ausgeglichen.

Weil die Kohlekraftwerke altern und Deutschland perspektivisch aus der Kohle aussteigen will, sollen Reservekraftwerke entstehen, die zunächst mit Erdgas und später mit Wasserstoff betrieben werden sollen. Die Ampelkoalition kalkulierte mit Kosten von 15,5 Milliarden Euro, hat das entsprechende Gesetz wegen der vorgezogenen Neuwahl jedoch nicht mehr verabschiedet. Es liegt nun an der nächsten Bundesregierung, dieses Vorhaben anzugehen. Einige der geplanten Reservekraftwerke könnten im Freistaat entstehen. "Das sind Dinge, die schnell gehen müssen", mahnt Jürgen Karl.

Auch früher gab es schon Spitzenlastkraftwerke, die nur selten ansprangen, weil der Strom daraus besonders teuer ist. Diese Gaskraftwerke länger laufen zu lassen, anstatt Windkraft und Photovoltaik weiter auszubauen, würde die Milliarden-Subventionen für den Bau von Reservekraftwerken vermeiden. Angesicht der teuren Kraftwerke und des steigenden CO₂-Preises würde jedoch auch der Strompreis in Deutschland stark steigen. 💬

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