Und wieder regnet es – tagelang. Drei Monate nach dem verheerenden Hochwasser im Sommer laufen im Süden und Osten Bayerns wieder Keller voll.
Politiker sagen in solchen Situationen immer wieder zu, dass Betroffene unterstützt werden. Doch an die Hilfen zu kommen, könnte leichter sein, räumt Bundesumweltministerin Steffi Lemke (B‘90/Grüne) im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers ein: "Hier ist das größte Manko, dass sie teilweise zu bürokratisch vor Ort ausgestaltet sind.“ Stattdessen müsse es für betroffene Bürger "zügig und unkompliziert" vonstattengehen können.
Ausstehende Wiederaufbauhilfen vom Bund: "Definitiv hake ich nach"
Aber nicht nur dort ist es kompliziert mit den Hilfen, auch in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern scheint es zu haken: Laut Bayerischem Finanzministerium ist von den Wiederaufbauhilfen, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch im Juni zugesagt hatte, bislang noch nichts in Bayern angekommen.
"Diese Zusage gilt natürlich. Wenn es Hemmnisse gibt, dann müssen die zwischen den betroffenen Ressorts geklärt werden", sagt Lemke – verspricht im Kontrovers-Interview aber nachzuhaken.
Hochwasser: 400.000 Menschen in Deutschland bedroht
Bereits im Sommer forderten Politiker von Land und Bund bessere Versicherungsmöglichkeiten für Bürger und ihr Eigentum. Lange wurde über eine mögliche Ausgestaltung der Elementarversicherung diskutiert. Denn sowohl Wissenschaft als auch Politik mahnen: Extremwetterereignisse werden sich häufen.
Michael Zschiesche vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen in Berlin hat in einer Studie errechnet, dass allein in Deutschland etwa 400.000 Menschen von Hochwasser bedroht sind.
Der Kontrovers-Beitrag im Video: "Extremwetter: Was unternimmt die Politik?"
Elementarschadenversicherung: Viele Gespräche, kaum Ergebnisse?
Zwar versprechen Politiker Betroffenen oft schnelle und unbürokratische Hilfe, doch oft summiert sich das auf Milliarden Euro, auf Kosten der Steuerzahler. Deshalb fordern Experten eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden – verbindlich für jeden Hausbesitzer, denn „klar ist, dass der Staat auf Dauer aus Haushaltsmitteln überfordert wäre, immer da zu helfen und einzuspringen“, sagt Zschiesche.
Diesem Vorschlag aber erteilte Bundesjustizminister Marco Buschmann noch im Juni im Kontrovers-Interview eine Absage. Er präferiert eine Angebotspflicht für Elementarschäden, die die Versicherungen den Eigentümerinnen und Eigentümern anbieten müssten.
Prävention zum Teil existenzgefährdend
Bislang haben noch immer viele Hausbesitzer keine Elementarschadenversicherung. Teils, weil Versicherungen Häuser im Risikogebiet nicht gegen Schäden durch eintretendes Grundwasser versichern, teils, weil die Versicherungsprämien zu hoch sind. Betroffene wie Helmut Bleier können sich das häufig nicht leisten.
Bleier ist Rentner und lebt in Baar-Ebenhausen. Das Hochwasser im Juni hat sein Haus schwer getroffen. Zwar hat er die staatliche Soforthilfe von 2.500 Euro erhalten, doch das reicht für die Reparaturen nicht aus. Für das einzige Versicherungsangebot, das Bleier unterbreitet wurde, soll er fast 5.000 Euro jährlich zahlen. Für den Rentner ist das nicht machbar, sagt er: "Das sind 400 Euro im Monat. Was hab‘ ich dann am Ende noch? Hartes Brot essen und zur Tafel gehen."
Lemke fordert Entscheidung: "Länder könnten auch selbst handeln"
Laut Bundesjustizministerium soll es jetzt erneut Gespräche über ein Versicherungsmodell geben. Für Steffi Lemke ist klar: "Diese Gespräche müssen in diesem Jahr definitiv zu einem Abschluss gebracht werden: Wir brauchen ein Ergebnis: Hopp oder Top, damit den Leuten auch in Zukunft besser geholfen wird durch bessere Vorsorge."
Die Bundesministerin kritisiert im Interview bereits verlorene Zeit – und, dass die Bundesländer sich aus der Verantwortung ziehen wollen:
"Das Thema ist zu lange zwischen Bund und Ländern hin und her geschoben worden. Die Länder könnten auch selbst handeln. Sie möchten aber gerne den bundesweiten Rahmen haben, obwohl Hochwasserschutz in erster Linie Landesangelegenheit ist." Steffi Lemke (B‘90/Grüne), Bundesministerin für Umwelt und Verbraucherschutz
"Wir brauchen höhere Versicherungsquote"
Es brauche eine höhere Versicherungsquote und "das muss solidarisch passieren," ist Lemke im Interview mit Kontrovers überzeugt, damit die Prämien nicht, wie im Fall von Helmut Bleier, zu hoch sind.
Aber die Bundesumweltministerin wertet erste Präventionsschritte als Erfolg. Das zum 1. Juli in Kraft getretene Klimaanpassungsgesetz verpflichte Gemeinden dazu, sich mit Klimaanpassung zu befassen. "Fertige Konzepte haben noch nicht viele. Das stimmt. Deshalb fördern wir das Erstellen solcher Konzepte," sagt Lemke im Kontrovers-Interview.
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