Ein Vormittag im Wald bei Hersbruck im Landkreis Nürnberger Land. Es ist feucht und Nebelschwaden ziehen durch den dichten Buchenwald am Hang des Großen Hansgörgl. Er ist mit 601 Metern Höhe der Hausberg im Nordwesten der mittelfränkischen Kleinstadt mit etwa 13.000 Einwohnern. Auf halber Höhe gräbt ein Bagger große Wurzelstöcke aus dem Boden. Mitten im Wald wurde vor Kurzem eine Fläche gerodet – etwa so groß wie zwei Fußballfelder.
Alte Quellen werden reaktiviert
Es ist ein Kahlschlag für den Naturschutz. Die Hersbrucker Stadtwerke (HEWA) wollen hier die alten Hansgörgl-Quellen wieder in Betrieb nehmen. "Die Bäume haben mit ihren Wurzeln die Quellsammelstellen kaputt gemacht und das Wasser konnte nicht mehr abfließen", erklärt HEWA-Geschäftsführer Harald Kiesl. Deshalb werden nun Bäume und Wurzelstöcke mit schwerem Gerät entfernt.
Ende des Raubbaus am fossilen Grundwasser
Im Jahr 1904 wurden die Quellen am Hansgörgl gefasst und erschlossen. Bis in die 1990er-Jahre waren sie Teil der Hersbrucker Wasserversorgung. Dann stellten die Stadtwerke auf Tiefengrundwasser um. Das fließt seitdem aus den Hähnen der rund 13.000 Einwohner der Stadt. "Das Grundwasser ist 11.000 Jahre alt und frei von jeglicher Verschmutzung durch Menschen", sagt Kiesl.
Ein Bodenschatz, der in Gefahr ist und den Hersbrucks Bürgermeister Robert Ilg (Freie Wähler) für die nächsten Generationen erhalten will. Damit das wertvolle Grundwasser aus der Tiefe geschützt wird, sollen die Oberflächen-Quellen am Hansgörgl wieder genutzt werden. Schluss mit dem Raubbau, meint Ilg: "Wir wollen damit erreichen, dass wir das Tiefengrundwasser wieder auf einem Niveau halten können, um Nachfolgeschäden in der Natur verhindern zu können." Es soll daher künftig nur so viel Tiefengrundwasser entnommen werden, wie nachgebildet wird.
Verbraucher werden zur Kasse gebeten
Rund eine Million Euro investieren die Stadtwerke in die Reaktivierung der Quellen und der Anlagen. Auch das Wasserhaus am Fuß des Berges muss erneuert werden, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Kiesl. Dort, wo heute ein zugeschraubtes Rohr aus der Wand kommt, müssen Leitungen und Filter installiert werden. Momentan kommen 75 Prozent des Wassers in Hersbruck aus der Tiefe. Ziel der Stadtwerke ist es, "auf ein Verhältnis von halb Quellwasser und halb Tiefengrundwasser zu kommen", sagt Kiesl.
Der schonende Umgang mit der Ressource kostet. Die Investitionen werden auf die Verbraucher umgelegt. Der Wasserpreis in Hersbruck wird bald steigen, sagt Bürgermeister Ilg. Den genauen Betrag wird der Stadtrat demnächst beschließen. So viel kann Ilg schon sagen: "Wir werden in der Region zu denen gehören, die beim Wasserpreis im Vergleich mit anderen Kommunen an der Spitze stehen."
Förster mit "blutendem Herzen"
Zurück zum Kahlschlag am Hansgörgl. Siegfried Huber steht neben einem der ausgegrabenen Wurzelstöcke. Er ist Förster im Stadtwald und begleitet die Rodungsarbeiten. Wenn er die gefällten Bäume sieht, "da blutet einem schon das Herz". Er gesteht aber auch zu, dass das Gebiet sehr gut für die regionale Wasserversorgung ist. "Und die ist für Mensch und Natur wichtig." Um den Wald am Hansgörgel macht er sich keine Sorgen. "Wir haben hier einen funktionierenden Mischwald mit sehr viel Laubholz."
In gut einem Jahr soll alles fertig sein. Dann wird der Kahlschlag eingezäunt. Hier sollen künftig nur noch Büsche und Gras wachsen, damit die neuen Quellfassungen nicht geschädigt werden. Im Spätherbst will sich Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) das Projekt anschauen, das als beispielhaft für den Schutz des Tiefengrundwassers gilt.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!