Ein Hinweis vorweg: Dieser Beitrag enthält Zahlen. Viele Zahlen. Doch diese Zahlen haben einen realen Hintergrund. Es geht um nichts weniger als um Krieg oder Frieden. Das zeigt schon die erste Zahl: 6,7 Prozent der Wirtschaftsleistung fließen ins Militär. Nicht in den USA (dort sind es 3,5 Prozent), nicht beim Nato-Spitzenreiter Polen (mit 3,9 Prozent), schon gar nicht in Deutschland (mit 2,1 Prozent) oder Spanien (mit 1,3 Prozent). Sondern in Russland.
Das hat gerade eine Londoner Denkfabrik errechnet. Mitten im Krieg gegen die Ukraine kann Russland demnach seine militärischen Fähigkeiten weiter ausbauen und kräftig aufrüsten. Bruno Kahl, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes, warnte schon im vergangenen Oktober: "Spätestens Ende dieses Jahrzehnts dürften russische Streitkräfte in der Lage sein, einen Angriff auf die Nato durchzuführen."
Trump fordert fünf Prozent
Das war noch vor den Wahlen in den USA und vor dem Amtsantritt von Donald Trump im Weißen Haus. Der fordert von den europäischen Verbündeten, mehr Verantwortung für die Verteidigung zu übernehmen. Sprich: mehr Geld ins Militär zu stecken.
Säumige Zahler könnten sich künftig nicht mehr auf die Hilfe der USA verlassen, machte Trump im Wahlkampf unverhohlen klar. Konkret hat er als neue Zielmarke für die Verteidigungsausgaben fünf Prozent der Wirtschaftsleistung in den Raum gestellt. Eine Zahl, die aus Sicht fast aller europäischer Staaten nach aktuellem Stand utopisch ist.
- Zum Artikel: Pistorius: Trump-Ideen "helfen uns gerade gar nicht"
Beispiel Deutschland: Das Bruttoinlandsprodukt als Bezugsgröße für die Militärausgaben lag im vergangenen Jahr bei 4,3 Billionen Euro. Fünf Prozent davon entsprechen 215 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Aktuell gibt der Bund im regulären Verteidigungshaushalt gut 50 Milliarden für die Bundeswehr aus. Dazu kommen Mittel aus dem 2022 beschlossenen Sondervermögen für die Bundeswehr.
Nur dadurch konnte Deutschland im vergangenen Jahr erstmals die Nato-Verpflichtung erfüllen, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben.
Das Problem: Das kreditfinanzierte Sondervermögen mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro wird spätestens Ende 2027 aufgebraucht sein. Ab 2028 müssen die zusätzlichen Milliarden von anderswo kommen. Die ehemalige Ampel-Koalition hat das in der mittelfristigen Finanzplanung formal so gelöst, dass sie 2028 im Verteidigungsetat eine Summe von 80 Milliarden Euro angesetzt hat – ohne zu sagen, woher das zusätzliche Geld kommen soll.
Im Audio: Nato-Schreck Trump und Geldsuche für die Bundeswehr (13.2.2025)
Mehr Geld für die Bundeswehr - aber woher?
Habeck will 3,5 Prozent, die CSU mindestens 3 Prozent
Während also noch nicht mal klar ist, wie der Bund das Zwei-Prozent-Ziel künftig einhalten will, wird auch in Deutschland längst über höhere Militärausgaben diskutiert. Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck sprach Anfang des Jahres von einer Zielgröße von 3,5 Prozent, was aktuell gut 150 Milliarden Euro und damit einer Verdreifachung des Wehretats entsprechen würde. Die CSU nennt in einem Masterplan zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit 3 Prozent als Zielgröße – binnen zehn Jahren.
Mehr Schulden für die Bundeswehr?
Konkrete Angaben zur Finanzierung macht die CSU nicht, ebenso wenig wie die meisten anderen Parteien. In einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft heißt es: Die Wahlprogramme zur Bundestagswahl "geben keine ausreichende Antwort darauf", wie die drohende Lücke bei den Verteidigungsausgaben geschlossen werden könne.
Als eine Möglichkeit werden immer wieder neue Schulden ins Spiel gebracht. Die Grünen deuten das in ihrem Wahlprogramm an. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rief angesichts der jüngsten Entwicklungen zur Ukraine zu einer schnellen Reform der Schuldenbremse auf – "um Investitionen in unsere Sicherheit und Verteidigung davon auszunehmen."
Ähnlich äußerte sich vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz auch Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Zusätzlich zu einer Reform der deutschen Schuldenbremse müsse geprüft werden, "ob wir die Maastricht-Kriterien auch anpassen, ... wenn es um Ausgaben für Verteidigung geht".
Dass laufende Kosten der Bundeswehr mit Hilfe von Krediten finanziert werden, ist aber kaum vorstellbar. Eher schon ein neues kreditfinanziertes Sondervermögen an der Schuldenbremse vorbei. Wobei interessant ist: Die Zinsen, die für Sondervermögen fällig sind, werden bei der Berechnung der Nato-Quote mitberücksichtigt. Dabei fließen diese Gelder gar nicht an die Bundeswehr.
Auf diesen Umstand verweist Claus-Friedrich Laaser vom Kiel Institut für Weltwirtschaft. Er hat sich die Ausgaben des Bundes mit Blick auf die Funktionalität angeschaut. Das Ergebnis: Wenn man nur die Ausgaben rechnet, die direkt in die Verteidigung gehen (zum Beispiel ohne die Kosten für Bundeswehr-Hochschulen oder die Ukraine-Hilfen), kommt der Bund lediglich auf eine Ausgabenquote von 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Es wird also in den kommenden Jahren nicht nur darauf ankommen, wie viel Geld zahlenmäßig in die Verteidigung gesteckt wird, sondern auch darum, was damit finanziert wird. Denn Ukraine-Hilfen sind, so groß ihre Bedeutung für Krieg und Frieden derzeit auch ist, für die künftige Verteidigungsfähigkeit Deutschland anders zu bewerten als Ausgaben für neue Panzer, Flugzeuge oder Drohnen.
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