Weißes Federkleid mit dunklem Kopf und rotem Schnabel: so sieht ein Gänsesäger aus. Ab 16. August soll auf diesen Vogel an der Isar und anderen Flüssen Oberbayerns wieder geschossen werden - auch in Naturschutzgebieten. Dabei steht der Gänsesäger in Bayern auf der Roten Liste, er gilt also gefährdete Art.
Es ist seine Nahrung, die für Konflikte sorgt. Es geht um eine Fischart, die in Bayern ebenfalls selten geworden ist: die Äsche. Darum werden Gänsesäger im Rahmen eines Forschungsprojekts abgeschossen, um zu klären, ob das den Beständen der Äsche helfen könnte.
Gänsesäger frisst seltene Fischart
Die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) untersucht in diesem Projekt, wie genau sich die Abschüsse auf die Bestände der Fischart auswirken und wie die sogenannte letale Vergrämung dann ablaufen sollte. Letale Vergrämung bedeutet, dass eine bestimmte Anzahl der Vögel geschossen werden, mit dem Ziel, dass der Rest der Population das Weite sucht. An der Isar habe die LfL bereits positive Effekte feststellen können.
Bis Ende 2025 soll das Projekt noch weiterlaufen. Doch der Landesbund für Vogelschutz (LBV) kritisiert das Projekt und hat mit einer Protestaktion an der Isar bei München auf die bevorstehenden Abschüsse aufmerksam gemacht. Helmut Beran vom LBV hält es für sinnlos, weitere Gänsesäger zu töten: "Wir haben ja bisher schon 440 getötete Gänsesäger im Rahmen dieses Forschungsprojektes. Wir wissen nicht und können uns auch nicht erklären, was ein weiterer Abschuss von Gänsesägern noch für neue Erkenntnisse liefern soll", sagt Beran.
LBV: Andere Faktoren machen Fischen zu schaffen
Der LBV kritisiert, dass bei dem Forschungsprojekt, an dem auch die TU München beteiligt ist, der Gänsesäger als Fischfresser zu sehr im Fokus stehe. Dabei machten den Fischen in Bayern noch viele andere Aspekte zu schaffen, die zu wenig berücksichtigt würden.
Der Naturschutzverband meint dabei Querverbauungen in Flüssen, Stauwerke oder fehlende Kiesbereiche und eingespülte Erde aus der Landwirtschaft. Äschen seien außerdem besonders empfindlich gegenüber Wassertemperaturen über 26 Grad.
LfL will Projekt fortführen
Verantwortlich für das Projekt bei der LfL ist Michael Schubert. Er sagt, weitere Abschüsse seien sinnvoll, um die bisher gewonnenen Daten abzusichern: "Wir haben zwar an der mittleren Isar diesen deutlichen Effekt schon, aber es könnte sich jetzt auch wieder anders darstellen", sagt Schubert. Die Äschen-Bestände würden noch drei weitere Male im Rahmen des Projekts überprüft, um die Daten zu verfestigen.
"Deswegen wäre es natürlich fatal, jetzt aufzuhören, dann wären die Säger, die bisher erlegt wurden, vielleicht umsonst gestorben, weil man dann die Aussagekraft nicht mehr hat", so Schubert. Auch das zuständige bayerische Landwirtschaftsministerium schreibt auf BR24-Anfrage, das Projekt solle fortgeführt werden, um weitere belastbare Daten zu erheben, die Ergebnisse abzusichern und Erkenntnisse mit qualifizierter Aussagekraft zu gewährleisten.
Landwirtschaftsministerium: Naturschützer waren eingebunden
Außerdem verweist das Landwirtschaftsministerium darauf, dass die Naturschutzverbände, auch der LBV, von Anfang an in einer projektbegleitenden Arbeitsgruppe bei allen Entscheidungen eingebunden gewesen seien und das Versuchskonzept mitgetragen hätten. Ziel des Projektes sei es, sechs jeweils etwa fünf Kilometer lange Fließgewässerstrecken möglichst frei von Gänsesägern zu halten, um die Entwicklung der Fischbestände mit Referenzstrecken vergleichen zu können, in denen Gänsesäger nicht bejagt werden. Die Flussabschnitte, auf denen die Gänsesäger abgeschossen werden, würden insgesamt nur 0,03 Prozent der bayerischen Fließgewässer entsprechen.
Fischereiverband überrascht über Aktion des LBV
Auch der Landesfischereiverband spricht sich dafür aus, das Projekt weiterzuführen und zeigt sich überrascht, dass der LBV die Vereinbarung nun angreife und insbesondere die mangelnde Wissenschaftlichkeit moniere. Nach Einschätzung des Verbandes ist das Setting der Untersuchung gut gestaltet und wird zu aussagekräftigen Ergebnissen führen. "Nun mitten im Projekt die Reißleine ziehen zu wollen, wirkt ein wenig so, als ob man die Ergebnisse nicht hören wollte", schreibt der Verband auf BR24-Anfrage.
Helmut Beran vom LBV entgegnet: "Wissenschaftlich auswertbare Ergebnisse liegen bisher nicht vor". Die Parameter der Untersuchung ließen eine Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Flussabschnitte nicht zu. Außerdem seien die Mageninhalte der getöteten Vögel noch immer nicht ausreichend untersucht, um Rückschlüsse zu ziehen, wie viele Äschen die Vögel tatsächlich fressen, so der LBV weiter.
Im Video: Streit beim Artenschutz: Fisch oder Vogel?
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