Den Trubel in der Münchner Innenstadt erträgt man schon als Mensch oft schwer. Als Steinadler wird es einem da nicht anders gehen, vor allem dann nicht, wenn man auf den traditionellen Trachten- und Schützenzug zum Oktoberfest mit muss. Ein Falkner des Bayerischen Jagdverbandes trug das mächtige Tier sieben Kilometer lang auf der Hand. Dort blieb der Adler die meiste Zeit bewundernswert ruhig sitzen, trotz Musik im Zug und Jubel an den Rändern. Der Jagdverband hatte noch weitere Tiere mitgebracht, zum Beispiel ausgestopfte Wildschweine und etwa ein Dutzend verschiedene Jagdhundrassen - lebendig, versteht sich.
9.000 Teilnehmende, zwei Stunden, sieben Kilometer
Der Trachten- und Schützenzug am ersten Wiesn-Sonntag ist einer der Höhepunkte jedes Oktoberfests. Bei strahlendem Sonnenschein marschierten zwei Stunden lang rund 9.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Maximilianstraße zur Theresienwiese: Trachten- und Brauchtumsgruppen, Musikkapellen und Spielmannszüge, Handwerker- und Schützengruppen und viele mehr. Sie kamen aus allen bayerischen Regierungsbezirken, aber auch aus anderen Regionen Deutschlands, etwa dem Saarland, und auch aus dem europäischen Ausland: Österreich, die Schweiz, Italien, Kroatien, Slowenien und weitere Länder waren vertreten. Mit ihren Festgewändern, Gold- oder Bänderhauben und historischen Standarten machten die Teilnehmenden auch Eindruck auf Zuschauer aus dem Ausland. "Die Trachten sind sehr schön und man sieht auch, wie stolz die Vertreter hier im Zug sich fühlen", befand ein Besucher aus Schweden.
Pferdegespanne für Prominenz und Brauereien
Angeführt wurde der Zug vom Münchner Kindl in Person der Wiesnwirt-Tochter Franziska Inselkammer zu Pferd. Festlich geschmückte Kaltblutpferde zogen die Festwagen der Münchner Brauereien. Die Prominenz saß in Kutschen: Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter und seine Frau fuhren ganz vorn; erst später im Zug der bayerische Ministerpräsident Markus Söder – auch diesmal und damit wohl zum ersten Mal auf dem Trachten- und Schützenzug in Tracht, mit kurzer Lederhose und Trachtenhut. Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner hatte sich einen prominenten Gast in seine Festkutsche eingeladen: den Schlagersänger Florian Silbereisen.
Gruppen mit Geschichte und Geschichten
Viele der Gruppen haben ihren Ursprung in historischen Figuren oder Ereignissen. Die Münchner Moriskentänzer etwa stellen Figuren nach, die der Bildhauer Erasmus Grasser vermutlich nach maurischen Tänzern im Jahr 1480 geschnitzt hatte. Die Münchner Schäffler erinnern die Fassmacher, die laut der Legende 1517 während der Pest in der Stadt erstmals für die Menschen tanzten. Andere Gruppen im Zug erinnerten an Freiheitskämpfe oder auch an Brauchtum des Alltags wie Kirchweih- oder Hochzeitszüge oder Wallfahrten.
Luis Gasteiger aus dem Landkreis Miesbach hat seinen Nachbau der Wallfahrtskapelle Birkenstein mitgebracht, die er mit seinem Nachbarn für eine Leonhardifahrt angefertigt hat: "Wir haben von der Kapelle keine Pläne bekommen. Also sind mit Meterstab und Messlatten losgezogen, haben Fotos gemacht und alles umgerechnet, damit es mit dem Maßstab einigermaßen passt. Mehr als tausend Stunden haben wir gebraucht und jetzt fahren wir die Kapelle schon seit 1982."
Trachten- und Schützenzug war Silberhochzeits-Veranstaltung
Der Trachten- und Schützenzug fand erstmals im Jahr 1835 statt. Anlass war die Silberhochzeit von König Ludwig I. und Therese von Bayern. Die Hochzeit des Paares 25 Jahre zuvor hatte das Oktoberfest begründet. Heute wie damals ist der Umzug auch ein Ereignis für die Münchnerinnen und Münchner. Um das Spektakel angemessen genießen zu können, bauten manche entlang der Strecke Biertische und Bänke auf und packten Brezen, Radi, Obatzen und weiß-blau karierte Servietten aus. Denn, wie es ein Anwohner formulierte: "Zu einem schönen Trachtenumzug gehört auch eine schöne Brotzeit."
- Zum Artikel: Lieber jetzt auf die Wiesn: Auf Sonne folgt Regen
Im Audio: So war der Trachten- und Schützenzug
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