Das Berliner Schuldenpaket sei "nicht zustimmungsfähig", sagte Hubert Aiwanger am Mittwoch. Hält er an seinem Veto fest? Heute suchen die Spitzen der Bayern-Koalition nach einem Ausweg.
Zentrale Fragen und Antworten im Überblick:
Warum ist Bayern so wichtig?
Für die geplanten Grundgesetzänderungen braucht es auch im Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Also mindestens 46 von 69 Stimmen. Die ausschließlich von CDU, SPD und Grünen regierten Länder haben nur 41 Stimmen. Deshalb geht ohne Bayern und seine sechs Stimmen voraussichtlich nichts. Weil CSU und Freie Wähler sich einig sein müssen, gilt: Machen die Freien Wähler nicht mit, müsste Bayern sich enthalten. Das käme einem Nein gleich. Damit wäre das Schuldenpaket geplatzt.
Was sagen die Freien Wähler zum Berliner Kompromiss?
Das Paket sei "nicht zustimmungsfähig", urteilte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger am Mittwoch: "So, wie derzeit dieses Papier der schwarz-roten künftigen Koalition vorliegt, können wir nicht zustimmen." Offiziell ist das nach wie vor die Position der Freien Wähler. Aber wie gesagt, das war am Mittwoch – vor der Einigung mit den Grünen in Berlin. Das könnte heute in München entscheidend sein.
Warum sind die Freien Wähler dagegen?
Weil sie die Schuldenbremse nicht lockern wollen und das Sondervermögen für Infrastruktur skeptisch sehen. Sie argumentieren mit dem bayerischen Koalitionsvertrag. Dort haben CSU und FW 2023 vereinbart: "Neue Schulden lehnen wir ab." Und weiter: "Eine Umgehung der 'Schuldenbremse', insbesondere durch nicht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang stehende kreditfinanzierte Sondervermögen, lehnen wir ab."
Außerdem fordern die FW mehr Geld für Kommunen und fürchten, dass das Sondervermögen für die Infrastruktur nicht wirklich in die Modernisierung fließt, sondern der neuen Bundesregierung als "Spielgeld" dient.
Werden sich CSU und FW einigen?
Viel spricht dafür. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) steht im Wort: "An Bayern wird es nicht scheitern." Bestünden die FW auf Änderungen, müsste Söder das anschließend in Berlin CDU, SPD und Grünen verkaufen – eher unwahrscheinlich. Zudem haben die Freien Wähler zunehmend Kompromiss-Signale gesendet: Man müsse "genau hinsehen", sagt zum Beispiel Digitalminister Fabian Mehring. Und schon am Mittwoch hieß es relativierend, das Paket sei "zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zustimmungsfähig".
Zur Gesichtswahrung könnten die FW heute darauf hinweisen, dass das zur Abstimmung stehende Paket nicht mehr dasselbe ist wie am Mittwoch. Die von den Grünen erwirkten Änderungen sind teils im Sinn der Freien Wähler: etwa, dass das Geld für Infrastruktur verbindlich in Modernisierung fließen muss. Also kein "Spielgeld" ist.
Und wenn die Freien Wähler beim Nein bleiben?
Dann würde die Koalition wohl platzen. Aus der CSU kommt die Drohung, aus Schwarz-Orange könne Schwarz-Rot werden. Die Bayern-SPD stünde dazu generell bereit. Aber: CSU und SPD hätten im Landtag nur eine einzige Stimme Mehrheit. Das wäre ehrgeizig: Bei Abstimmungen müssten im Landtag immer alle Kabinettsmitglieder anwesend sein. Das Szenario Koalitionsbruch soll eher den Druck auf die Freien Wähler erhöhen. Einfach feuern könnte Söder jedenfalls Aiwanger nicht: Dafür bräuchte er die Zustimmung des Landtags.
Was hätte Bayern vom Schuldenpaket?
Aus dem Sondervermögen für Infrastruktur sollen die Bundesländer 100 Milliarden Euro abbekommen. Ein Sechstel dürfte direkt nach Bayern fließen. Rund 16 Milliarden Euro in den nächsten Jahren.
Zudem kann die bayerische Rüstungsindustrie auf gewaltige Aufträge hoffen. Etwa ein Drittel der deutschen Branche sitzt im Freistaat: KNDS, Diehl, MTU, Airbus Defence and Space, MBDA und andere dürften profitieren.
Macht Bayern künftig neue Schulden?
Kommt das Berliner Paket, wird die strikte Schuldenbremse der Länder gelockert: Sie dürften sich dann pro Jahr mit 0,35 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts zusätzlich verschulden. Ob sie das tun, entscheiden die Länder. Bayern könnte rund 2,5 Milliarden Euro Schulden aufnehmen. Je nachdem, wie knapp es im Doppelhaushalt 2026/27 wird, ist wohl nicht auszuschließen, dass Bayern die Möglichkeit nutzt, wie aus Koalitionskreisen zu hören ist.
Wichtig: Zwar verbietet die Bayerische Verfassung, Stand jetzt, jegliche neuen Schulden. Aber Union, SPD und Grüne wollen auf Bundesebene festschreiben: "Bestehende landesrechtliche Regelungen, die hinter der (...) festgelegten Kreditobergrenze zurückbleiben, treten außer Kraft." Bayerische Haushaltspolitiker vermuten deshalb, dass der Freistaat seine Verfassung nicht ändern müsste, wollte er künftig neue Schulden aufnehmen.
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