Noch müssen Patienten selbst aktiv werden, damit eine elektronische Patientenakte (ePA) für sie eingerichtet wird – ab Februar 2025 bekommen sie dann alle gesetzlich Versicherten.
Was wird in der elektronischen Patientenakte gespeichert?
In der ePA können Patienten verschiedene Dokumente zu ihrer Krankengeschichte ablegen lassen, also etwa Arznei-Verordnungen, Arztbriefe, Labor-Befunde oder Röntgenaufnahmen. Am Anfang die wichtigste Rolle wird nach Angaben von Thomas Pöppe, Geschäftsbereichsleiter Digitalisierung bei der AOK Bayern, der Medikationsplan spielen.
Wer entscheidet, welche Daten zu sehen sind?
Die Patienten sollen nach dem Willen der Bundesregierung die Daten bestmöglich selbst steuern und kontrollieren können. Das heißt: Sie können erlauben, dass Praxen oder Krankenhäuser, in denen sie behandelt werden, die Daten möglichst lückenlos ablegen und auch einsehen können. Sie können aber auch einzelne Daten sperren, die sie für besonders sensibel halten, etwa über psychische Erkrankungen, eine HIV-Infektion oder Abtreibungen.
Und sie können entscheiden, dass nur bestimmte Behandler einzelne Daten einsehen können: Dass zum Beispiel die Zahnärztin nicht sieht, welche Behandlungen der Frauenarzt vorgenommen hat. Die Patientinnen und Patienten können auch eigene Informationen zu ihrer Krankengeschichte hochladen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sie sich entsprechend freischalten lassen. Der Digitalexperte der AOK Bayern, Thomas Pöppe, betont, dass Ärzte bei bestimmten sensiblen Diagnosen Patienten ausdrücklich fragen sollen, ob sie in die ePA aufgenommen werden dürfen, etwa zu psychischen Problemen.
Wie sicher sind die in der ePA gespeicherten Daten?
Die halbstaatliche Gesellschaft Gematik, die für die technische Umsetzung der elektronischen Patientenakte zuständig ist, ist überzeugt: Die ePA erfüllt höchste Sicherheitsstandards. Für die intensivere digitale Übertragung von Informationen im Gesundheitssystem wurde ein eigenes Datensystem aufgebaut, die sogenannte Telematik-Infrastruktur.
Die Server würden in Deutschland und anderen EU-Ländern gehostet, erklärt die Gematik. In den USA oder anderen Nicht-EU-Staaten erfolge keine Datenspeicherung. Außerdem würden sie nach der Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) der Europäischen Union betrieben und durch unabhängige Gutachter geprüft. Thomas Pöppe von der AOK Bayern ergänzt: Die Sicherheits-Standards seien höher als beim Online-Banking.
Haben Privatfirmen Zugriff auf die Daten?
Mit der Einführung der ePA soll auch eine "Datenspende" möglich werden. Ab Juli 2025 sollen Daten für Forscherinnen und Forscher zugänglich gemacht werden, das können auch Forschende privater Unternehmen sein. Ziel ist es, im Zuge der sogenannten Versorgungsforschung bessere Informationen zu erhalten, welche Therapien tatsächlich wirksam sind und welche nicht. Die Daten würden anonymisiert, betont das Bundesgesundheitsministerium. Außerdem können Patienten der "Datenspende" widersprechen.
Fachleute erwarten, dass mit der Datenspende sehr große Datenmengen gesammelt werden. Um sie auswerten zu können, seien mit Sicherheit Programme hilfreich, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), bei einem Kongress des Digital-Branchenverbandes Bitkom. Firmen wie der Facebook-Mutterkonzern Meta oder auch Google und OpenAI hätten Interesse gezeigt, entsprechende Lösungen zu entwickeln.
Dabei geht es allerdings um die Auswertung großer anonymisierter Datensätze in einer Art geschlossenem System. Suchanfragen etwa über Suchmaschinen wie Google nach dem Motto "Wann war Max Mustermann zum letzten Mal beim Arzt und was war die Diagnose?" sind damit nicht gemeint.
Was sind die Vorteile der elektronischen Patientenakte?
Wenn die ePA bestmöglich genutzt wird, erhoffen sich ihre Befürworter einen wesentlich reibungsloseren Austausch zwischen Praxen oder Kliniken über Diagnosen und Therapien – und Einsparmöglichkeiten im Gesundheitssystem. Dadurch könnten Doppeluntersuchungen vermieden oder auch gefährliche Wechselwirkungen zwischen Medikamenten, so die Hoffnung.
Was sind zentrale Kritikpunkte an der elektronischen Patientenakte?
Es gibt weiterhin Stimmen, die den Datenschutz bei der ePA für nicht ausreichend gegeben halten. Doch bei allen großen Verbänden, die mit der Gesundheitsversorgung zu tun haben, herrscht Einigkeit, dass die Chancen die Risiken deutlich überwiegen. Spitzenverbände von Ärzten, Zahnärzten, Kliniken und Apothekern bemängeln allerdings in einer gemeinsamen Erklärung, es fehlten "elementare Bestandteile, die für eine nutzenstiftende Verwendung im Versorgungsalltag benötigt werden". So sei beispielsweise keine Volltextsuche der Inhalte einer elektronischen Patientenakte möglich.
Der 'Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen' sieht Unklarheiten bei der Frage, wer darüber entscheidet, welche Daten für Minderjährige gespeichert werden. Der Verband fordert deshalb, dass die entsprechenden Regeln schnell konkretisiert werden.
Der Sozialverband VdK warnt davor, dass nur Menschen, die mit modernen Smartphones oder Computern arbeiten, wirklich gut mit der ePA umgehen können. Es müsse ein möglichst barrierefreier Zugang gewährleistet werden, fordert der VdK.
Dieser Artikel ist erstmals am 15.02.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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