Es war keine Siegesparty, sondern eher ein steifer Stehempfang am Sonntagabend in der CSU-Landesleitung in München: So groß die Hoffnungen für die Bundestagswahl nach den CSU-Umfragewerten der vergangenen Wochen waren (deutlich mehr als 40 Prozent), so ausgeprägt war die Enttäuschung über kaum mehr als 37 Prozent in Bayern – trotz des klaren Abstands zu allen anderen Parteien. "Die Euphorie ging eher nach innen", beschrieb ein christsozialer Partygast die Gemütslage. Ein anderer CSUler wurde hinter vorgehaltener Hand deutlicher: "Das ist zu wenig."
Einmal mehr bleibt die CSU unter Parteichef Markus Söder deutlich hinter den eigenen Ansprüchen zurück, zum wiederholten Mal verfehlt sie bei einer Landtags- oder Bundestagswahl die 40-Prozent-Marke – früher ein christsozialer Erfolgsmaßstab. Schlechter lief es für die CSU bei einer Bundestagswahl neben 2021 nur 1949. Und doch erreichte sie mehrere ihrer Wahlziele. Aus Sicht der Christsozialen ist es ein Wahlsieg mit Licht und Schatten.
Das Worst-Case-Szenario für die CSU bleibt aus
Am wichtigsten ist: Nach dreijährigem Intermezzo in der Opposition wird die CSU aller Voraussicht nach wieder einer neuen Bundesregierung angehören. Söder hatte schon im Wahlkampf mehrfach angekündigt, in einer neuen Koalition selbstbewusst die Interessen der CSU und Bayerns zu vertreten. Schon früh am Wahlabend betonten sowohl der Parteivorsitzende als auch Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, die CSU habe "überdurchschnittlich" zum Gesamtergebnis der Union beigetragen. Mehr als ein Fünftel des gemeinsamen Wahlergebnisses kommt von den Bayern. Allerdings: Dieser Anteil ist mit genau 21,1 Prozent minimal geringer als bei der vorigen Wahl (21,5 Prozent).
Am Worst-Case-Szenario ist die CSU nur um Haaresbreite vorbeigeschrammt: ein Bündnis auch mit den Grünen eingehen zu müssen. Monatelang hatte Söder immer wieder sein Wort gegeben, dass es mit der CSU definitiv kein Schwarz-Grün geben werde. Wäre das Bündnis Sahra Wagenknecht in den Bundestag gekommen, hätte die Union aber neben der SPD auch die Grünen für eine Mehrheit benötigt. Erst spät in der Nacht war klar, dass das BSW denkbar knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde geblieben ist. Es reicht nun für Schwarz-Rot auf Bundesebene, eine rechnerische Mehrheit der Union mit den Grünen gibt es nicht. Der CSU bleiben Gespräche mit den Grünen und ein Wortbruch erspart.
Freie Wähler: Aiwangers Flügel gestutzt
Erreicht hat die CSU auch ihr Ziel, sich in allen bayerischen Wahlkreisen bei den Erststimmen durchzusetzen und auch München-Süd von den Grünen zurückzuerobern. Die Freude darüber hält sich aber in Grenzen: Das CSU-Zweitstimmen-Ergebnis reicht nicht aus, damit alle CSU-Direktkandidaten tatsächlich in den Bundestag einziehen. Drei der Wahlkreis-Gewinner gehen leer aus.
Den Versuch der Freien Wähler, der CSU mindestens drei Direktmandate abzunehmen, konnten die Christsozialen souverän abwehren. Allzu große Sorgen hatten sich die Parteistrategen ohnehin nicht gemacht. Die Genugtuung über das insgesamt schwache FW-Zweitstimmen-Ergebnis ist dennoch unverkennbar. Nach dem Höhenflug der Freien Wähler bei der Landtagswahl 2023 hatten die Christsozialen sich selbst das Ziel gesetzt, die FW stärker zu bekämpfen. Jetzt sind Aiwangers Flügel gestutzt.
Aiwanger wird sich Fragen gefallen lassen müssen
Gespannt darf man sein, wie sich das Wahlergebnis auf das Gefüge innerhalb der bayerischen Staatsregierung auswirken wird. Sobald die CSU mit am Berliner Kabinettstisch sitzt, ist es vorbei mit dem einhelligen schwarz-orangen Meckern aus dem Freistaat über den Bund. Womöglich versuchen Aiwanger und die Freien Wähler, sich fortan als einzig echtes bayerisches Gegengewicht zu Berlin zu inszenieren – das könnte die Harmonie innerhalb der Koalition auf die Probe stellen.
Es wäre zudem wenig verwunderlich, wenn Aiwanger und Co. noch eine Rechnung offen hätten. Schließlich hatte Söder im Wahlkampf kaum eine Gelegenheit ausgelassen, die Freien Wähler kleinzureden, mitunter auch in herablassendem Ton ("Schuster bleib bei deinen Leisten"). Andererseits hat Söder am Ende recht behalten: Die Freien Wähler sind mit bundesweit 1,5 Prozent klein, sehr klein sogar.
Auch dass der FW-Chef als Direktkandidat im Wahlkreis Rottal-Inn nur auf dem dritten Platz landet, wirft Fragen auf. Fragen, die sich Aiwanger wird gefallen lassen müssen. Sein Stuhl dürfte deswegen zwar nicht wackeln, auf eine parteiinterne Richtungsdebatte muss er sich wohl einstellen. Das Grummeln bei den Freien Wählern über einen "Rechtsruck" durch Aiwanger dürfte jetzt lauter werden.
AfD in Bayern über dem westdeutschen Schnitt
Zweitstärkste Kraft ist auch im Freistaat die AfD. Der Landesverband gilt als einer der radikalsten in den westdeutschen Bundesländern – und darf sich in seinem Auftreten bestätigt fühlen. Bei dieser Wahl liegt die AfD in Bayern mit 19 Prozent sogar einen Prozentpunkt über dem Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer. Damit können CSU und Freie Wähler ab sofort nicht mehr für sich in Anspruch nehmen, die AfD durch ihre Politik in Bayern kleinzuhalten.
Ein bisschen Trost für SPD und Grüne
SPD, Grüne und FDP verlieren in Bayern zusammen fast 15 Prozentpunkte. Den Sozialdemokraten im Freistaat, die in den vergangenen beiden Jahren von Personalquerelen gebeutelt wurden, bleibt trotz deutliche Verluste ein doppelter Trost: dass sie nicht so dramatisch verlieren wie im Bund und am Ende in Bayern immerhin zweistellig sind (11,6 Prozent). Letzteres ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr: Sowohl bei der Europawahl 2024 und der Landtagswahl 2023 mussten sich die bayerischen Genossen mit weniger als 9 Prozent zufriedengeben.
Einen Hauch besser als die SPD schneiden die Grünen ab, bleiben aber hinter ihren eigenen Ansprüchen zurück. Zwar scheint sich die Partei im Freistaat eine stabile Kernwählerschaft erarbeitet zu haben. Träume, sich hinter der CSU als Volkspartei zu etablieren, sind aber in weite Ferne gerückt.
Die bayerische FDP muss ähnlich wie die Bundespartei einen regelrechten Absturz verkraften. Im Landtag sind die Liberalen schon seit dem Herbst 2023 nicht mehr vertreten, künftig stellen sie auch keine Bundestagsabgeordneten mehr und könnten es schwer haben, im Freistaat auf sich aufmerksam zu machen. Die Linken in Bayern – in Umfragen zuletzt so schwach, dass sie gar nicht ausgewiesen wurden – können ihr Glück kaum fassen: 5,7 Prozent im Freistaat, der für die Partei traditionell ein schwieriges Pflaster ist.
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Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD)
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